Industrie | 5. Dezember 2022

Mittelspannungsverteilung der KVA Turgi zukunftsweisend gesichert

Retrofit von Schutz und Steuerung mit ABB-Lösungen

Die Betreiber der Kehrichtverwertungsanlage Turgi suchten Ersatz für die angejahrten Schutzrelais ihrer Mittelspannungsverteilung. Nach einer vertieften Analyse rückte auch die komplexe Steuerung in den Fokus des Retrofits. Die passende Lösung fanden sie bei ABB.

Die KVA Turgi verwertet in ihren beiden Verbrennungslinien den Siedlungs- und Industrieabfall aus einem Einzugsgebiet im Ostaargau, das rund 230’000 Einwohnerinnen und Einwohner zählt. Damit generiert sie Wärmeenergie wie auch elektrische Energie. So konnte die KVA Turgi im vergangenen Jahr 79 Gigawattstunden in das Netz der Fernwärme Siggenthal einspeisen. Ins öffentliche Stromversorgungsnetz gingen 59 Gigawattstunden elektrische Energie, welche die KVA mit zwei Dampfturbinen generiert – eine davon steht seit 1970 im Dauerbetrieb und wurde damals von BBC geliefert. Zum Vergleich: Die mittlere Jahresproduktion des Flusskraftwerks Turgi liegt bei 7 Gigawattstunden.

Mittelspannungsverteilung 1998 installiert

Über die Mittelspannungsverteilung der KVA mit einer Spannung von 16 Kilovolt läuft sowohl die Eigenversorgung als auch die Einspeisung in das Versorgungsnetz. «Diese Mittelspannungs-Anlagen hier, mit 19 Feldern, stammen aus dem Jahr 1998», so Peter Zeller, Betriebsleiter der KVA Turgi.

Peter Zeller (rechts) und Matthias Matter im Kontrollraum der KVA.

Die eingesetzten Schutzrelais wurden vom Hersteller nicht mehr unterstützt, Ersatzteile allmählich rar. «Zuerst hatten wir vor, einfach die Relais zu ersetzen. Die bestehende Steuerung der Mittelspannungsanlagen über einen J-Bus hatte sich bewährt. Die wollten wir eigentlich belassen und über Schnittstellen mit modernen neuen Schutzgeräten verbinden.» Zumal die bestehende Steuerung das komplexe Verriegelungskonzept – mit dem vermieden wird, dass irrtümlich falsche Schalthandlungen vorgenommen werden können – gut abbildete.

Integration moderner Schutzrelais kein gangbarer Weg

Doch es zeigte sich bald, dass eine Integration moderner Schutzrelais in die alte speicherprogrammierbare Steuerung aufgrund der veralteten Kommunikation kein gangbarer Weg ist. So suchte Peter Zeller eine zukunftssichere Lösung für Schutz und Steuerung der Mittelspannungsanlage – und fand sie bei ABB.

Die neuste Version des Schutz- und Steuerungsgeräts REF615 von ABB wurde in den 19 Feldern der Mittelspannungsanlage der KVA Turgi installiert.

«Das tiefe Verständnis komplexer Steuerungen von Mittelspannungsnetzen und von Verriegelungslogiken der ABB-Fachleute zusammen mit den passenden Produkten war entscheidend, ABB den Zuschlag zu diesem Auftrag zu geben», so Zeller. Der Projektstart erfolgte im Frühling 2020.

Nur alle fĂĽnf Jahre ein Wartungszeitfenster von einer Woche

Die KVA steht grundsätzlich 24 Stunden lang 365 Tage im Jahr in Betrieb. Nur alle fünf Jahre wird die gesamte Anlage mit beiden Linien für eine Woche heruntergefahren, damit sie inspiziert und revidiert werden kann. Dieser Unterbruch stand im Herbst 2021 an. In diesem Zeitfenster musste auch der grösste Teil der Arbeiten an den Mittelspannungsanlagen durchgeführt werden, insbesondere der komplexe Steuerungsumbau mit der Verriegelungslogik.

«Das tiefe Verständnis komplexer Steuerungen von Mittelspannungsnetzen und von Verriegelungslogiken der ABB-Fachleute zusammen mit den passenden Produkten war entscheidend, ABB den Zuschlag zu diesem Auftrag zu geben»

Als neue Schutz- und Steuerungsgeräte in den 19 Feldern der Mittelspannungsanlage kam die neuste Version des REF615 von ABB zum Einsatz. Die vorherige Steuerung der Mittelspannungs-Verteilung wurde über ein klassisches Blindschaltbild visualisiert. «Für die neue Lösung haben wir eine digitalisierte Visualisierung und Steuerung über das Leitsystem ABB Zenon realisiert», so Matthias Matter von ABB, zuständiger Product Marketing Specialist.

Auch Steuerung und Visualisierung modernisiert

Diese Visualisierung wird über einen riesigen Bildschirm im Kontrollraum der KVA angezeigt. Im Raum der Mittelspannungsfelder und im Synchronisationraum der Turbinen steht nun zudem jeweils ein Touchscreen mit der Visualisierung zur Verfügung. «Sowohl der Anlagenchef im Kontrollraum als auch der Servicetechniker im Schaltanlagenraum kann nun – mit der rollenspezifischen Zugangssteuerung des Systems gemäss den vergebenen Zugriffsrechten – die einzelnen Netzkomponenten steuern», so Luca Arpagaus, der den Retrofit seitens ABB begleitete. «In einem Projekt nebst dem Austausch der Schutzgeräte auch die Steuerung und Visualisierung inklusive Verriegelungslogik in einer Fremdanlage zu modernisieren, war auch für uns eine neue Herausforderung. Aber wir waren uns sicher, dass wir dies bewältigen können.»

Über die Mittelspannungsverteilung der KVA mit einer Spannung von 16 Kilovolt läuft sowohl die Eigenversorgung als auch die Einspeisung in das Versorgungsnetz.

«Die umgesetzte Lösung funktioniert heute zu unserer vollen Zufriedenheit», hält Zeller fest. «Und in diesem Projekt mit dem Neuaufsetzen der Steuerung haben auch wir vertiefte Einblicke in unsere Steuerung der Mittelspannungsverteilung und deren Funktionsweise gewonnen.»

 

Kontakt
Matthias Matter
Product Marketing Specialist Distribution Systems ABB Schweiz