Interview | 15. April 2019

"Photovoltaik immer effizienter und günstiger"

Experteninterview mit Professor Urs Muntwyler Professor für Photovoltaik an der Berner Fachhochschule, Leitung Labor für Photovoltaiksysteme

Wie ist die Situation der Nutzung der Solarenergie in der Schweiz/Deutschland/Europa?

Die Photovoltaik ist jetzt in Mittel- und Südeuropa die kostengünstigste neue Stromquelle – Solarthermie wird durch die günstigere Photovoltaik verdrängt. Sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz bleibt das Wachstum der Photovoltaik allerdings hinter ihren Möglichkeiten zurück. In beiden Ländern sollte etwa fünfmal mehr PV-Leistung installiert werden, um die Ziele der jeweiligen Energiestrategien zügig zu erreichen. Aus Sicht der Solarenergie ist es bedauerlich, dass weltweit immer noch hohe Subventionen für fossile Energien statt für erneuerbare Energien ausgeschüttet werden. Dies behindert den Wandel.

Welche technischen oder politischen Herausforderungen stehen der Nutzung der Solarenergie gegenüber?

Die Photovoltaik und all ihre Subsysteme wie Wechselrichter oder Montagestrukturen werden immer besser, also auch effizienter und günstiger. Dies wird in den nächsten Jahrzehnten noch weitergehen. Während die Technik bereitsteht und immer besser wird, ist es politisch dagegen noch ein weiter Weg zur Dekarbonisierung. Da gibt es starke Beharrungskräfte. Zudem muss die Wirtschaft die Energieeffizienz und die neuen erneuerbaren Energien in profitable Geschäftsmodelle implementieren.

Inwiefern geht die Entwicklung immer mehr hin zu komplexeren Systemen aus Photovoltaik, Speicherung, Energiemanagement und E-Mobilitätslösungen?

Viele Photovoltaikanwender finden keine attraktiven Möglichkeiten für die Einspeisung und wollen den Solarstrom möglichst selber verbrauchen. Die Solarbranche hat dafür in kürzester Zeit eine Vielzahl von technischen Lösungen zur Erhöhung des Eigenverbrauchs geschaffen. Das Modell der vielen kleinen dezentralen Batterien muss sich jetzt in der Praxis beweisen. Das eigene Elektrofahrzeug mit Solarstrom zu speisen, ist jetzt auch kostenmässig sehr interessant.

Welche Rolle kommt in Zukunft „Prosumern“ zu, also Privatleuten oder Unternehmen, die zugleich Strom aus Sonnenenergie erzeugen und verbrauchen?

Prosumer und die Elektrifizierung der Wärmeversorgung und der individuellen Mobilität verdrängen fossile Energien immer mehr. In Zukunft wird es nur noch die Stromversorgung und in einigen grösseren Städten Fernwärme geben.

Ein Blick voraus: Welche Aspekte werden die Nutzung der Solarenergie in den kommenden 50 Jahren prägen?

In 50 Jahren werden die meisten Länder auf einhundert Prozent erneuerbare Energien aus vorwiegend Sonne, Wind und Wasser umgestellt haben. Die Oberfläche von Häusern, aber auch Autos werden vermehrt von Solarzellen bedeckt sein, die einen Teil oder auch einen Überschuss an Energie für die jeweilige Nutzung erzeugen. Die Materialströme, die für diese Energiewirtschaft gebraucht werden, sind auf eine Wiederverwendung der Rohstoffe auszurichten. Die Energie wird nicht teurer sein als heute und rohstoffarme Länder wie die Schweiz und Deutschland werden durch den Wegfall der Energieimporte ihre Handelsbilanz verbessern. Nachteile haben Länder, die primär fossile Energien exportieren. Sie werden sich sozio-ökonomisch neu orientieren müssen. Diese neue erneuerbare Energiewirtschaft wird vermehrt Stellen in der Produktion, aber auch in der Anwendung in den Konsumenten-Ländern wie Deutschland und der Schweiz schaffen.