Industrie & Verkehr | 6. Juli 2020

Transkontinentaler FAT

Werksabnahme per Video

International zu reisen, konnte man während der Coronakrise vergessen. Davon betroffen waren auch die «Factory Acceptance Tests», kurz: FAT, also die Werksabnahmen von grossen Anlagen, welche die Auftraggeber meist persönlich vor Ort begleiten.

«Wir haben Kunden in der ganzen Welt», so Olaf Berger, Head of Project Management der Business Line System Drives (MOSD) von ABB in Turgi. «Produktion und Transport unserer Mittelspannungsumrichter gehen ja einigermassen normal weiter. Sie können vor Ort dann von lokalen ABB-Experten in Betrieb gesetzt werden. Aber zum FAT konnten unsere Kunden nun nicht mehr in die Schweiz kommen.»

Dafür hat das Team in Turgi innert Kürze eine neue Lösung entwickelt: «Im Prinzip läuft es so, dass der Prüftechniker vor laufender Kamera die Tests am Mittelspannungsumrichter in unserer Fabrik durchführt. Ton und Bild werden per Internet übertragen», erklärt Philipp Carfora, Leiter Prüffeld bei MOSD. In der Woche vom 16. März konnten so bereits zwei FAT mit Kunden aus den USA erfolgreich bewältigt werden.

«In diesem Remote-FAT bieten wir dem Kunden parallel drei Ansichten an.»

Der jeweilige Kunde wird eingeladen, den FAT live auf dem Bildschirm zu verfolgen, wobei oft mehrere Stakeholder dabei sind, etwa Integrator und Endkunde. Sie können sich aus dem Büro oder dem Homeoffice einwählen und während der Prüfung live Fragen stellen, dem Prüftechniker, aber auch dem Projektleiter. Auch der Projektleiter muss nicht zwingend vor Ort dabei sein; er kann sich ebenfalls aus dem Homeoffice zuschalten lassen.

«In diesem Remote-FAT bieten wir dem Kunden parallel drei Ansichten an», erklärt Carfora. «In einem Fenster sieht er die Liveübertragung der beweglichen Kamera, mit der wir ihm die Details des Umrichters zeigen. Für die zweite Ansicht teilt der Prüfer seinen Bildschirm. So sieht der Kunde auch die jeweiligen Werte der Prüfsoftware. Im dritten Fenster ist ein Schema des Umrichters zu sehen, in dem jeweils die aktuelle Schaltung gezeigt wird.»

Eine Herausforderung bei diesem virtuellen FAT über Kontinente hinweg ist die Zeitverschiebung. «Doch das ist eigentlich die einzige Knacknuss. Ansonsten sind die Kunden mit diesem Remote-FAT genauso glücklich wie wir», betont Berger. «Einer unserer internationalen Kunden hat bereits erklärt, dass er auch künftig lieber am Remote-FAT teilnehmen wolle, statt anzureisen.» Gut möglich, dass sich dieser FAT aus der Ferne nach Abklingen der COVID-19-Epidemie als neue, bevorzugte Option etablieren wird.