Industrie | 13. Oktober 2021

Alu aus der Walliser Walzstrasse für die Autoindustrie

Neuer Frequenzumrichter für grösstmögliche Verfügbarkeit

Das Walzwerk von Novelis in Sierre ist auf die Herstellung von hochwertigen Aluminiumblechen für die Automobilindustrie spezialisiert. Für den Antrieb der Umlenkrollen der Kaltwalze wurde über den Jahreswechsel innert Kürze ein neuer Frequenzumrichter von ABB installiert – eine von mehreren modernen Lösungen von ABB im Werk.

Ob bei Jaguar Land Rover oder anderen bekannten Automarken: in so manchen Autos sind in der Karosserie Aluminiumbleche verbaut, die Novelis in ihrem Walliser-Werk in Sierre fertigt.

Nebst einer Giesserei, in der recycliertes Aluminium eingeschmolzen wird, und einem Forschungszentrum betreibt das Unternehmen hier vor allem ein hochmodernes Walzwerk.

Ins Walzwerk kommt das Aluminium in Form von riesigen, rund 10 Tonnen schweren Barren. Diese gut vier Meter langen, knapp zwei Meter breiten, 50 Zentimeter hohen Aluminiumblöcke erhalten zuerst in einer Fräsmaschine eine Oberfläche, die sie effizienter walzen lässt.

Kaltwalzstrasse für gewünschte Dicke

Ein Ofen erhitzt sie auf 500 Grad, damit sie anschliessend in der Warmwalzstrasse auf weniger als zehn Millimeter ausgewalzt werden können – was sie zu einem gut 200 Meter langen Band macht. Als «Coil» aufgerollt, kühlt es in einem automatisierten Hochregallager während etwa zwei Tagen aus.

Danach folgt in der Kaltwalzstrasse der zweite entscheidende Schritt: «Hier werden die inzwischen kalten Aluminiumbänder auf die vom Kunden gewünschte Dicke gewalzt», erklärt Raphael Steiner, zuständiger Automationsingenieur für die Kaltwalzstrasse. Das können Bleche von acht Millimetern, fünf, oder weniger sein. Wofür sie oft mehrmals durch die Walze gezogen werden, die sie mit einer Kraft von bis zu 2600 Tonnen auf die gewünschte Dicke bringt. Dies kontrollieren notabene Messgeräte von ABB.

Das Kaltwalzwerk bei Novelis in Sierre.

Walzwerk in Dauerbetrieb

Das Walzwerk arbeitet rund um die Uhr, von drei kurzen, regulären Wartungsunterbrüchen jährlich abgesehen. «Die Fertigungsprozesse in unserem Werk sind genau aufeinander abgestimmt. Für eine optimale Produktionsauslastung ist die grösstmögliche Verfügbarkeit unserer Anlagen von entscheidender Bedeutung», so Steiner.

In der Warm- wie Kaltwalzstrasse sind Motoren von ABB installiert. Für die Kaltwalze sind mehrere Asynchronmotoren im Einsatz, zudem stammt die ganze Automation und Regelung der Kaltwalze von ABB.

Fünf Asynchronmotoren von bis zu 90 Kilowatt für die Umlenkrollen werden durch einen Multidrive-Frequenzumrichter von ABB angetrieben. Bis Ende 2020 war das ein ACS600, der rund 20 Jahre im Einsatz stand. «Bei uns gingen die Ersatzteile dafür zur Neige», so Steiner. Er kontaktierte ABB Schweiz, um einen Umbau beziehungsweise ein Upgrade des Umrichters zu besprechen.

Raphael Steiner (Novelis) und Uwe Przywecki (ABB) beim neu installierten ACS880.

1:1-Ersatz des Umrichters erwünscht

«In einer gemeinsamen Analyse zeigte sich, dass ein Umbau nicht nachhaltig ist», so Uwe Przywecki, Product Manager Drives bei ABB Schweiz. «Ein Ersatz durch einen neuen Umrichter vom Typ ACS880 macht langfristig mehr Sinn.»

Im September 2020 kam Uwe Przywecki zu Novelis nach Sierre, um den bestehenden Umrichter genau zu analysieren: «Uns war sehr an einem 1:1-Ersatz gelegen, der in die übergeordnete Steuerung passt und der keine Änderung der Anschlüsse erfordert», erklärt Raphael Steiner. Da gilt es, auf jedes Detail zu achten und für das Engineering des neuen Umrichters alles vor Ort zu protokollieren.

Die Parametrisierung des ACS880 wurde dann im November in einer «kalten»-Inbetriebsetzung simuliert, um optimale Voraussetzungen für die reale IBS in der kurz bemessenen Installationszeit zu schaffen. Dabei schaltete sich ein Steuerungs-Experte von ABB Deutschland per Microsoft Teams dazu, um die Simulation möglichst effizient zu gestalten. «Der ACS880 ist in Bezug auf die übergeordnete Steuerung kompatibel mit dem Vor-Vorgängermodell ACS600. Ein entscheidendes Kriterium bei einem 1:1-Ersatz, der möglichst speditiv umgesetzt werden muss», so Przywecki.

«Dank der vorgängigen Simulation klappte eigentlich alles wie am Schnürchen.»

Schlüsselanlage pünktlich wieder in Betrieb

«Der neue Multidrive kam auf den Tag genau am 21. Dezember bei uns an», erinnert sich Steiner, der mit weiteren Mitarbeitenden von Novelis die Installation und Inbetriebsetzung des Frequenzumrichters während des regulären Betriebsunterbruchs über die Festtage selbst übernahm. «Zur Sicherheit war als Backup noch ein Experte von ABB dafür abgestellt. Dank der vorgängigen Simulation klappte eigentlich alles wie am Schnürchen.»

So konnte die Kaltwalzstrasse pünktlich Anfang Januar problemlos wieder in Betrieb gehen. «Diese Kaltwalze ist eine absolute Schlüsselanlage für Novelis, welche an der Kapazitätsgrenze arbeitet.»

Drive Connectivity Panel und Smart Sensors von ABB

In Zusammenhang mit der grösstmöglichen Verfügbarkeit ist für Novelis auch eine Optimierung der Wartung wichtig – weg von der periodischen Instandhaltung hin zur zustandsbasierten Wartung. Dafür hat sich Novelis entschlossen, in einem «Try&Buy»-Agreement das neue ABB Drive Connectivity Panel bei einem Umrichter einzusetzen – eine Schweizer Premiere. Das ist ein neues Plug-&-Play-Gerät, das eine Vielzahl an Informationen aus dem Innern des Umrichters zieht und es dem Kunden so ermöglicht, den Zustand des Drives und dessen Leistungskennzahlen kontinuierlich zu überwachen.

Damit ist dieses ABB Drive Connectivity Panel für Frequenzumrichter gewissermassen das Pendant zu den schon länger erfolgreich eingeführten ABB Smart Sensors für Motoren und Pumpen. Auch diese smarten Sensoren wird Novelis nun bei ihren Motoren im Walzwerk einsetzen. «Mit Panel wie Sensoren werden wir Einblick in das Innenleben unserer Anlage gewinnen, um allfällige Verschleisserscheinungen so früh als möglich zu erkennen und zu beheben», hält Steiner abschliessend fest.