Fokus | 11. Oktober 2018

Nah am Kunden: kreativ, digital, remote

Neue Lösungen für die Industrie

Die digital getriebene Produktion und die Bedeutung von Remote Services wachsen stetig. Zu identifizieren, welche neuen Lösungen für ein Unternehmen die individuell richtigen sind, ist eine kreative Aufgabe. ABB unterstützt ihre Kunden mit digitalen Lösungen der jüngsten Generation und bei kreativen Findungsprozessen.

Die Industrieproduktion der Zukunft wird immer stärker digitale Lösungen nutzen und mit Remote Services Anlagen betreuen. Was zunächst nach einer banalen Erkenntnis klingt, birgt viel Diskussionspotenzial. Mit welchen Technologien ist dieser Wandel der klassischen Industrieproduktion verbunden? Wie schnell und wie umfassend wandeln sich die Prozesse? Auf welche Weise behalten Unternehmen in der datengetriebenen Produktion die Hoheit über ihr Wissen und ihre Entwicklungen? Und: Welche neuen Services und kreativen Lösungen sind diejenigen, die die Anforderungen meines Unternehmens individuell am besten erfüllen und mit welchem Partner kann ich sie umsetzen?

Wertvolle Daten
Diskussionsbeiträge und Antworten auf diese Fragen liefern Experten und Verbände. Offensichtlich ist, dass die Entwicklung in vollem Gang ist: Gemäss Angaben des Branchenverbandes Swissmem gehören Bereiche wie Sensorik, Datenanalyse und Predictive Maintenance zu den wichtigsten Digitalisierungsthemen in der Schweizer Industrie. Beim Betrieb intelligenter, vernetzter Produktionssysteme entstehen wertvolle und hochsensible Industriedaten, die für Prozesse und Produkte sicherheitsrelevant sind. Sowohl die Verfügbarkeit der Informationen zur richtigen Zeit am richtigen Ort als auch der Schutz vor Datenmanipulation sind unabdingbar. Zudem sind Industriedaten als digitales Abbild von Verfahren und Produkten für Betreiber und Hersteller ein zu schützendes Geschäftsgeheimnis.

Globalisierung treibt an
Nach Meinung von Prof. Karl-Heinz Niemann, Lehrgebiet Prozessinformatik und Automatisierungstechnik an der Hochschule Hannover, wird die weiter fortschreitende Globalisierung der Märkte eine Triebfeder für Remote Services sein (weiter zum Interview): «Unternehmen vertreiben ihre Produkte weltweit. Um einen guten Service bieten zu können, wird die Ferndiagnose das Mittel der Wahl für einen umfassenden Support sein.»

Kreativ zu passgenauen Lösungen
Um die Frage zu beantworten, welche neuen Lösungen aus der Welt der digitalen Services die spezifischen Anforderungen der Kunden am besten erfüllen, setzt ABB auf kreative Methoden und Prozesse. Wichtig ist zudem eine enge Kommunikation mit den Kunden, um ein gemeinsames Verständnis der jeweiligen Aufgabenstellung aus unterschiedlichen Perspektiven zu entwickeln und passgenaue Lösungen zu finden. In der Schweiz betreibt ABB mit dem «Co-Innovation Lab» in Baden-Dättwil eine Einrichtung die genau diesem Zweck dient. Andreas Koch, Leiter Service Schweiz bei ABB, erklärt: «Wir führen Co-Creation-Workshops mit Kunden durch, in denen wir zunächst deren Herausforderungen in den Blick nehmen. Daraus entwickeln sich oft Ideen durch die Kombination der Betriebserfahrung des Kunden und der technischen Kompetenz von ABB. Konkrete technische Lösungsansätze werden in einer zweiten Phase besprochen, wenn die Problematik und der mögliche Kundennutzen klar sind. Dabei verwenden wir verschiedene Innovationstechniken, beispielsweise die Methode Design Thinking. Als Resultat der Workshops entscheiden wir häufig, den erarbeiteten Lösungsansatz rasch als minimale Lösung zu verifizieren und den Wert in einer Pilotinstallation nachzuweisen. Diese agile Vorgehensweise schliesst den Lernkreis rasch, um schnell positive oder negative Erfahrungen zu sammeln, den Ansatz zu korrigieren und weiterzuentwickeln.»

«Es genügt nicht, nur ein Tool zu programmieren. Die Organisation und der Service dahinter müssen stimmen.»

Connected Services für Roboter
Ebenfalls im engen Schulterschluss mit den Kunden arbeitet der ABB-Geschäftsbereich Robotics mit seiner Lösung Connected Services. Marc-André Zingg, Local Business Unit Manager Robotics bei ABB Schweiz, erläutert: «Dank der Connected Services erhöht sich die Verfügbarkeit eines Roboters. Es geht um längere Roboter-Lebenszyklen und optimale Leistung.» Die Connected Services bündeln fünf Bausteine: Condition Monitoring, Backup-Management, Remote Access, Fleet Assessment und Asset Optimization. Die Roboter sind mit der Cloud verbunden und ABB überwacht ihren Betrieb anhand von Messdaten. «Es genügt nicht, nur ein Tool zu programmieren. Die Organisation und der Service dahinter müssen stimmen», sagt Marc-André Zingg. Das Angebot nutzen inzwischen ABB-Kunden an mehr als 750 Produktionsstätten. Die digitalen Connected Services sind durch das eng verzahnte Zusammenspiel mit dem physischen Service ein Erfolgsmodell. Ihre Qualitäten spielen sie sowohl bei kleineren und mittelständischen Anwendern als auch bei grösseren Unternehmen, die Hunderte von Robotern an mehreren Standorten optimieren wollen, aus. «Viele unserer Kunden legen Wert darauf, dieselben Tools wie wir für den Service der Roboter zu nutzen», sagt Marc-André Zingg. «Indem wir ihnen diese zur Verfügung stellen, befähigen wir unsere Kunden, sich mit der gleichen Effizienz und Professionalität um ihre Roboter zu kümmern, wie es der ABB-Service tut.»

Der Betrieb von Robotern lässt sich im Rahmen von Connected Services komfortabel per Tablet-PC analysieren.

Digital Services für Leitsysteme
Wie bei einzelnen Robotern geht es auch bei Lösungen für die ungleich komplexeren Leitsysteme um Daten. Mario Drinovac, Local Business Unit Manager der Geschäftseinheit Control Technologies von ABB Schweiz, sagt dazu: «Wenn wir von digitalen Produkten sprechen, meinen wir Lösungen, bei denen wir die Daten einer Produktionsanlage im Fokus haben.» Ausgangspunkt ist der Scan der Daten, wozu die Spezialisten keine Software installieren müssen, sondern den Service Product Data Collector (SPDC) – von der Handhabung her ein Memorystick – einsetzen. Er sammelt umfangreiche Daten der Leitsystemhardware und -software sowie Daten zum Stand der Systemperformance und der Cybersicherheit. «Wichtige Informationen liefert bereits die Inventarisierung des Leitsystems. Unserer Erfahrung nach wissen viele Anlagenbetreiber nicht im Detail, was installiert ist», sagt Mario Drinovac. «Das liegt daran, dass viele Anlagen und ihre Steuerung eine Historie haben, die man oft nicht mehr überblickt.» Die Performance- und Sicherheitsanalyse erfolgt typischerweise anhand von 100 bis 150 KPIs mit je fünf bis zehn Parametern. Das ergibt eine erhebliche Datenmenge, die die Experten für digitale Services innerhalb der ABB Ability Asset Health für Leitsysteme vollautomatisch analysieren. Als Vergleichsmassstab dient die Knowledge Base – eine Datenbank, die zu allen älteren und neuen ABB-Systemen über 500 KPIs enthält; bis Ende 2018 werden es 1000 sein. Der erste Schritt der Analyse ergibt den Anlagenstatus. Im nächsten Schritt ermittelt ABB Ability Asset Health für Leitsysteme die Hintergründe und Ursachen, prüft die Auswirkungen der gemessenen Daten auf die Performance und die Cybersicherheit, priorisiert die Wartung von Elementen und beschreibt dann die Fehlerbehebung.

«Wenn wir von digitalen Produkten sprechen, meinen wir Lösungen, bei denen wir die Daten einer Produktionsanlage im Fokus haben.»

Verfügbarkeit steigt und Aufwand sinkt
Bisher war es häufig so, dass Anlagen nur sehr selten so detailliert durchgearbeitet wurden. Das wäre zwar sinnvoll gewesen und hätte die Anlagenverfügbarkeit und Sicherheit erheblich gesteigert, war aber aus Gründen des Aufwands nicht realisierbar. «Mit den digitalen Services des ABB Ability Asset Health für Leitsysteme können wir eine automatisierte Analyse in kürzester Zeit erstellen und unsere Kunden mit vertretbarem Aufwand bei der Performanceoptimierung unterstützen», sagt Mario Drinovac. Die Analyse der Daten geschieht auf der ABB Ability-Plattform, auf der auch die Knowledge Base liegt. Der Datenzugriff erfolgt über das ABB-Portal «My Control System», das sich automatisch für die jeweilige Anlage kundenspezifisch einstellt und alle gesammelten und ermittelten Daten wie Inventarlisten, Life- Cycle-Planung, aktuelle operative Risiken und empfohlene Wartungsmassnahmen bereitstellt. Die Vorteile für die Kunden liegen auf der Hand: Sie können vorausschauend Probleme beheben, bevor sich diese negativ auswirken. Betriebssicherheit und Verfügbarkeit steigen, Kosten sinken. Notwendige Stillstände können besser geplant und vorbereitet werden. Es erfolgt ein Strategiewandel von reaktiver zu proaktiver Wartung.

Nachfrage wächst schnell
Digitale Services für Leitsysteme wachsen schnell. Seit der Einführung vor drei Jahren hat sich die Nachfrage jedes Jahr verdoppelt. «Ein Erfolgsgeheimnis besteht darin, dass wir die Service-Leistungen so gestalten, dass wir alle – auch ältere – Anlagen mit den gleichen Leistungen bedienen können», sagt Mario Drinovac. Im Portal «My Control System» sind 12 000 Anwender aus 39 Ländern registriert. Mittlerweile sammeln Kunden im Rahmen von ABB Ability Digital Services für Leitsysteme ihre Daten selbst und laden sie dann zur automatischen Analyse ins Portal hoch. Digitale Services erfordern spezifisches Wissen. Daher baut ABB an zwölf Standorten in Europa, Asien und Amerika Collaborative Operations Center (COC) auf, in denen Experten 24 Stunden pro Tag verfügbar sind. «Die Digitalisierung der Dienstleistungen ermöglicht eine noch engere Zusammenarbeit», erklärt Mario Drinovac. « Collaborative Operations verbindet die Mitarbeiter unserer Kunden mit den Technologie- und Prozessexperten von ABB.»

«Die Digitalisierung der Dienstleistungen ermöglicht eine noch engere Zusammenarbeit.»

Digitale Antriebslösung
ABB Ability Condition Monitoring für den Antriebsstrang ist eine digitale Lösung, die Sensor- und Antriebsdaten mit einer cloudbasierten Analyse über alle in einer Industrieanlage verwendeten Komponenten hinweg zu einer Einheit verbindet. Das Condition Monitoring für den elektrischen Antriebsstrang nimmt Frequenzumrichter, Motoren, Lager und Pumpen in den Blick. Es ist der erste integrierte Service dieser Art in der Industrie. Die Lösung visualisiert die wichtigsten Betriebsparameter einzelner Anlagen als einheitliches System und bietet den Kunden – mit Unterstützung durch ABB – Einblick in die notwendigen Wartungsmassnahmen für einen optimalen Betrieb. Das Condition Monitoring für den Antriebsstrang führt zu Verbesserungen im Betrieb. Das Ergebnis sind geringere Ausfallzeiten, eine verlängerte Lebensdauer der Anlage, geringere Kosten und eine höhere Rentabilität. Wesentliches Element des digitalen Antriebsstrangs ist die Überwachung: Jeder physische Antriebsstrang mit allen seinen Komponenten sendet über ein Netzwerk Messdaten an die Cloud, die dann dem Bediener auf einem einfachen Dashboard angezeigt und je nach Status grün, gelb oder rot ausgewiesen werden. Die ermittelten Daten ermöglichen eine umfassende Analyse und Wartungsplanung, die einen effektiven Betrieb der Antriebstechnik gewährleisten. Anwender können damit über ein einziges integriertes Cloud-Portal die Betriebszustände von industriellen Antriebssträngen fernüberwachen. Ronald Wenger, Digital Leader Local Division Robotics & Motion bei ABB Schweiz, beschreibt die Vorteile so: «Unsere neue Zustandsüberwachung verbindet das Know-how von ABB mit Sensor- und Analyse-Tools. Dieser digitale Vorteil verbessert bei den Kunden die Prozesslaufzeit und Leistung bei geringeren Risiken und Kosten.»

«Unsere neue Zustandsüberwachung verbindet das Know-how von ABB mit Sensor- und Analyse-Tools.»

Smart Sensor für Pumpen: Die von ABB und Egger gemeinsam entwickelte Lösung überwacht mithilfe der Datenanalyse die Temperatur, die Vibrationen und den Lagerzustand insbesondere von Abwasserpumpen.

Smart pumpen
Bei der Fernüberwachung von Niederspannungsmotoren beinhaltet die Lösung einen Smart Sensor, der an ihnen angebracht wird. Mit diesem Produkt werden Stillstandszeiten um bis zu 70 %verringert, die Motorlebensdauer um bis zu 30 % verlängert und der Energieverbrauch um bis zu 10 % reduziert. Beim Smart Sensor für Pumpen arbeitet ABB mit Pumpenherstellern wie der Schweizer Emile Egger & Cie SA zusammen. Die ursprünglich für Egger entwickelte Lösung überwacht mithilfeder Datenanalyse die Temperatur, die Vibrationen und den Lagerzustand insbesondere von Abwasserpumpen, um ein Verstopfen oder andere Probleme zu verhindern. Bisher mussten die Pumpen mitunter mehrmals pro Woche in mühsamer und zeitraubender Arbeit auf Verdacht überprüft werden. Die Experten und Forscher von ABB haben ihre Erfahrung genutzt und den bewährten Motorsensor so weiterentwickelt, dass sie über ihn nun auch Werte wie Pumpendrehzahl, Gesamtvibration, Unwucht, Kavitation, also die Bildung von Dampfblasen in Flüssigkeiten, oder Verstopfung auslesen können. 2017 testeten ABB und Egger Prototypen des Smart Sensors für Pumpen in der realen Betriebsumgebung. In diesen Pilotanlagen kam auch der gesamte digitale Background der ABB Ability Smart Sensor-Technologie zum Einsatz: Zustandsmeldungen und Leistungskennzahlen werden nicht nur erfasst, sondern über ein Gateway an die ABB Ability Cloud übertragen. Die Pumpenbetreiber können einfache Daten über eine App auf ihrem Smartphone oder über ein Web-Portal ablesen. ABB und spezialisierte Partnerunternehmen führen in der Cloud zusätzliche Analysen durch, um relevante Tendenzen für den Betrieb zu erkennen. Heute ist der Smart Sensor für Pumpen bereits in mehreren Anlagen rund um die Welt im Einsatz, so auch bei einigen Kunden von Egger. Dort hat er erheblich zur Vereinfachung der Pumpenüberwachung beigetragen.