| 22. Oktober 2015

Einzigartige Energiezentrale für die Bundesstadt

In der Energiezentrale Forsthaus wurde eine beachtliche Vielfalt an ABB-Produkten und -Systemen installiert.

Die Energiezentrale (EZ) Forsthaus in der Stadt Bern vereinigt eine Kehrichtverwertungsanlage, ein Holzheizkraftwerk sowie ein Gas- und Dampf-Kombikraftwerk unter einem Dach – zentral gesteuert mit einem Leitsystem, das ebenso von ABB stammt wie die gesamte elektrotechnische Ausrüstung.

Ihr Bau gilt als Meilenstein für die Ver- und Entsorgungsinfrastruktur in der Bundesstadt. Die Energiezentrale Forsthaus untermauert ihre Bedeutung auch optisch. Das über 300 m lange Gebäude wirkt – ganz in der Absicht der Architekten – wie ein riesiges Containerschiff, das am nordöstlichen Stadtrand angelegt hat.

Einzigartig ist dabei die Konzeption dieses Werks. Es integriert eine Kehrichtverwertungsanlage (KVA), ein Holzheizkraftwerk sowie ein Gas- und Dampf-Kombikraftwerk (GuD) in einem Gebäude. «Diese Anlagen sind nicht nur räumlich zusammengefasst; sie werden auch von einer gemeinsamen Kommandozentrale aus gesteuert», erklärt Roland Hediger, Leiter Produktion bei Energie Wasser Bern (ewb).

Mehr als 500 Millionen investiert

Die Berner Energiezentrale wurde ab 2009 mit einem Investitionsvolumen von über einer halben Milliarde Franken errichtet. Die Inbetriebnahme erfolgte stufenweise ab Sommer 2012. Sie löste die nahegelegene Kehrichtverwertungsanlage am Warmbächliweg ab, auf deren Areal künftig Wohnraum entstehen soll.

Mit der Integration eines Holzheizkraftwerks und eines Gas- und Dampf-Kombikraftwerks in den Neubau machte ewb einen Schritt in die angestrebte nachhaltige Energiezukunft und sich selbst unabhängiger von externen Stromlieferanten. Die Energiezentrale kann rund ein Drittel des Strombedarfs der Stadt Bern decken und über das Fernwärmenetz hunderte Kunden mit thermischer Energie versorgen, etwa den Hauptbahnhof mit all seinen Nebenbetrieben für Wärme und Kälte, sämtliche Gebäude des Inselspitals sowohl für Wärme als auch für Prozessenergie oder das Bundeshaus.

Zudem erlaubt dieses europaweit einmalige Zusammenspiel dreier Kraftwerkstypen unter einem Dach eine flexible Anpassung der generierten Energieform. Je nach Jahreszeit und Nachfrage kann mehr Fernwärme oder mehr Strom produziert werden. Einige Kunden werden auch mit Dampf versorgt, beispielsweise das Inselspital, wo er für Sterilisationsprozesse verwendet wird.

Enorme Vielfalt an ABB-Produkten

Der Auftrag für die gesamte Leit-, Elektro- und Messtechnik der Energiezentrale Forsthaus ging an ABB, inklusive Systemengineering und Installation. «ABB unterbreitete für das ausgeschriebene Los in technischer und ökonomischer Hinsicht das beste Angebot», erinnert sich Hediger. Mit der Anbindung an das Hochspannungsnetz ging zudem ein weiteres, eigenständiges Los an ABB.

Damit wurde in der EZ Forsthaus eine bemerkenswerte Vielfalt an ABB-Produkten und -Systemen installiert: Von der Niederspannungs- und Mittelspannungsverteilung inklusive Frequenzumrichtern und Sanftanlassern über Eigenbedarfs- und Verteiltransformatoren, Notstromversorgung und unterbrechungsfreie Stromversorgung, Messinstrumente, Generatoren, Leitsystem 800xA bis hin zur gasisolierten Schaltanlage – ausser Robotern und Turboladern steckt von den geläufigen ABB-Produkten also so gut wie alles drin.

«Mit der Integration der drei Anlagen der Energiezentrale in ein Leitsystem wurde Neuland betreten. Dabei stellten sich beträchtliche Herausforderungen, etwa in der Definition der Schnittstellen zwischen allen Beteiligten», so Hediger. Mit intensivem personellen Einsatz konnte das Grossprojekt aber pünktlich in Betrieb genommen werden.

Roland Hediger im Kommandoraum der Energiezentrale Forsthaus. Hier werden die Kehrichtverwertungsanlage, das Holzheizkraftwerk sowie das Gas- und Dampf-Kombikraftwerk zentral mit dem Leitsystem 800xA von ABB gesteuert.

20 000 Signale verarbeiten

«Wir sind sehr zufrieden damit, wie sich die Leittechnik und die elektrotechnischen Installationen mit den energieeffizienten ABB-Systemen und -Produkten in den knapp drei Betriebsjahren bewährt haben», so Hediger. Das zentrale ABB-Leitsystem 800xA verknüpft über 20 000 Signale von Messstellen und Aktoren, die im Kommandoraum mit seinen sechs Bedien- und Beobachtungsstationen sowie einer Grossbildwand zusammenlaufen.

Hier steuern die Operateure den gesamten Betrieb, etwa die thermische Verwertung von durchschnittlich rund 350 t Kehricht täglich, die aus der Stadt Bern und aus 22 Gemeinden der Region angeliefert werden. In der gleichen Gewichtsklasse liegt das Verwertungspotenzial des imposanten Holzschnitzelkessels. Das Brennmaterial stammt aus der Region; je zur Hälfte Frisch- und Restholz aus Verarbeitungsbetrieben sowie nicht kontaminiertes Altholz.

Im Bedarfsfall kann die Energiezentrale mit ihrer installierten elektrischen Gesamtleistung von 89 MW (46 MW Gasturbine, 27 MW Dampfturbine HHKW und GuD, 16 MW Dampfturbine KVA) die Versorgung mit elektrischer Energie für die Bundesstadt zu rund einem Drittel lokal decken. Auf dem Dach ist zudem eine Photovoltaikanlage mit einer Leistung von 77 kW installiert. Mit 290 GWh Fernwärme pro Jahr gibt die Energiezentrale ähnlich viel thermische Energie an die Kunden in der Stadt ab, wie sie elektrische Energie generieren kann.

2010 hatte das Stadtberner Stimmvolk einen Ausstieg aus der Kernenergie per 2039 beschlossen. In der Folge wurde im Reglement des Energieversorgers festgeschrieben, dass ewb spätestens von Ende 2039 an ausschliesslich Strom aus erneuerbaren Energien produzieren, kaufen und verkaufen wird. Die Energiezentrale mit der Kehrichtverwertung und dem Holzheizkraftwerk ist ein wichtiger Mosaikstein zu diesem langfristigen Ziel. Das integrierte Gas- und Kombikraftwerk versetzte ewb zudem in die Lage, bereits auf den Strombezug aus dem Elsässer Kernkraftwerk Fessenheim zu verzichten.

«Mit der Integration der drei Anlagen der Energiezentrale in ein Leitsystem wurde Neuland betreten.»

ewb

Energie Wasser Bern ist ein selbstständiges, öffentlich-rechtliches Unternehmen der Stadt Bern. Es stellt die Versorgung der Bundesstadt sowie der umliegenden Gemeinden mit Strom, Erdgas, Biogas und Wasser sicher, verwertet den Abfall zu Energie, bietet Dienstleistungen im Bereich der Elektro- und Erdgasmobilität an und baut in der Stadt Bern das Glasfasernetz. ewb beschäftigt über 600 Mitarbeitende, rund 50 davon in der Energiezentrale Forsthaus.

Weitere Infos: www.ewb.ch

ABB-Systeme in der Energiezentrale

Leitsystem 800xA
Niederspannungsverteilung
Mittelspannungsverteilung
Frequenzumrichter
Instrumentierung
Analysegeräte
Unterbrechungsfreie Stromversorgung
Notstromversorgung
Generatoren, inklusive Erregung, Schutz und Synchronisierung
Transformatoren
Gasisolierte Schaltanlage 132 kV
Servicevertrag mit ABB für die Systeme und Komponenten von ABB