Engergietechnik | 11. Oktober 2018

Trafo-Koloss für gigantisches Pumpspeicherkraftwerk in den Schweizer Alpen

ABB liefert Schlüsselkomponenten für den Betrieb

Im Unterwallis entsteht zurzeit das neue Pumpspeicherkraftwerk Nant de Drance. ABB liefert Schlüsselkomponenten, um das Kraftwerk sicher zu betreiben und ans Stromnetz anzuschliessen.

Die Baustelle Nant de Drance in den Walliser Alpen ist gigantisch: Über 400 Menschen bauen zurzeit in 17 Stollen eines der leistungsstärksten Pumpspeicherkraftwerke Europas. Die Bauarbeiten dauern nun schon seit zehn Jahren an. Von 2019 an soll das Kraftwerk schrittweise in Betrieb gesetzt werden. Danach wird es etwa so viel Leistung erbringen wie das Kernkraftwerk Gösgen: 900 MW. Damit werden voraussichtlich jährlich rund 2500 Mio. kWh Spitzenenergie ins Netz eingespeist. Tatsächlich erzeugen Pumpspeicherkraftwerke unter dem Strich keine zusätzliche Energie. Die für den Pumpbetrieb benötigte Strommenge ist höher als die im Turbinenbetrieb erzeugte Menge. Trotzdem nehmen Pumpspeicherkraftwerke für das Gelingen der Energiewende eine wichtige Rolle ein, denn sie können Energie in Form des hochgepumpten Wassers speichern und sogenannte Regelenergie dann ins Netz einspeisen, wenn die Nachfrage besonders hoch ist. «Energie zu speichern, gehört zu den grössten Knackpunkten der Energiewende», sagt Fabio Paglia, Market Manager für Transformatoren von ABB Schweiz. Schliesslich müssen sich Angebot und Nachfrage im Stromnetz zu jedem Zeitpunkt die Waage halten. Mit dem Ausbau von unregelmässig anfallender Wind- und Solarenergie wird diese Speicherkapazität umso wichtiger. So trägt das Pumpspeicherkraftwerk massgeblich zur Stabilität des Schweizer Stromnetzes und damit auch zu unserer Versorgungssicherheit bei.

«Energie zu speichern, gehört zu den grössten Knackpunkten der Energiewende.»

Netzausbau Richtung Rhônetal
Um das Pumpspeicherkraftwerk Nant de Drance ans Stromnetz anzuschliessen, muss das Höchstspannungsnetz zwischen dem Kraftwerk und dem Rhônetal ausgebaut werden. «Wie es breite Strassen braucht, wo viele Autos fahren, braucht es Stromleitungen auf hohen Spannungsebenen, wo viel Energie transportiert werden kann», erklärt Paglia. Deshalb wurde die talwärts führende 220-kV-Leitung ab Châtelard durch eine neue 380-kV-Doppellleitung von 12,5 km Länge ersetzt. Für den Ausbau des Stromnetzes müssen aber nicht nur neue Elektrizitätsleitungen geschaffen, sondern auch neue Unterwerke gebaut werden. «Unterwerke sind Knotenpunkte im Stromnetz. Hier wird unter anderem Strom auf andere Spannungsebenen transformiert», erklärt André Grangier, Anlagenverantwortlicher von Swissgrid, und zeigt auf ein unauffälliges Gebäude aus Betonplatten. Darin verbirgt sich ein neu geschaffenes Unterwerk. Sämtliche Primärtechnologie, sprich: zwei gasisolierte Schaltanlagen und die 380-/220-kV-Regeltransformatorengruppe, stammt von ABB. Die Transformatorengruppe erfüllt die Funktion eines Phasenschiebers.

«Wie es breite Strassen braucht, wo viele Autos fahren, braucht es Stromleitungen mit hohen Spannungsebenen, wo viel Energie transportiert werden kann.»

Erdbebensicher verankert
«Für den Phasenschiebertransformator und die Schaltanlagen hier in Châtelard hat ABB die besten Angebote gemacht», sagt Grangier und führt durch das abgesicherte Areal zum fensterlosen Betongebäude. Hinter den vier Eingangspforten verbergen sich die drei je 200 t schweren Transformatorenphasen und eine identische vierte Ersatzphase – alle erdbebensicher im Boden verankert. Heute summt der Trafo-Koloss leise vor sich hin, als hätte er schon immer hier gestanden. Dabei war sein Transport von der Produktionsstätte bei Bad Honnef in der Nähe von Bonn nach Châtelard kein leichtes Unterfangen gewesen. Vor allem das letzte Teilstück durch kurvige Bergstrassen über den Pass Forclaz auf über 1500 m ü. M. hatte dem Transportteam einiges abverlangt.

Inzwischen ist das Unterwerk unter Spannung und die Bauarbeiten am Nant de Drance befinden sich im Endspurt. Fabio Paglia und André Grangier dürfen sich darüber freuen, mit ihrer Arbeit das Schweizer Stromnetz ein bisschen grüner und stabiler gemacht zu haben. Trotzdem: Die Füsse hochzulegen, ist noch nicht angesagt. Schliesslich gilt es, die Energiewende weiterhin voranzutreiben.