Verkehr | 26. Mai 2025
Mit innovativer Technologie schneller und energieeffizienter aufs Schilthorn
Generationenprojekt am Schilthorn: Die Erschliessung des höchsten Gipfels der Berner Voralpen durch mehrere Seilbahnen wird vollstĂ€ndig erneuert und erweitert, unter anderem mit der steilsten Pendelbahn der Welt. DafĂŒr kommen Antriebstechnik und Energiespeicher von ABB zum Einsatz, um die bestehende Energieversorgung nicht zu ĂŒberlasten.
Steiler Start zum Schilthorn-Erlebnis: Bei der Mitte Dezember 2024 eröffneten Seilbahn zwischen Stechelberg und MĂŒrren fĂ€hrt die Kabine durch das Dach der Talstation bis zur ersten StĂŒtze auf der MĂŒrrenfluh mit einer Steigung von rund 160 Prozent. Das entspricht einem Winkel von 58 Grad. Ein eindrĂŒckliches Erlebnis â und Weltrekord fĂŒr eine Pendelbahn.
Video zum Projekt
In weniger als vier Minuten in MĂŒrren
Insgesamt ĂŒberwindet die neue Bahn 775 Höhenmeter in weniger als vier Minuten. Die Luftseilbahn sorgt auch fĂŒr die GĂŒterversorgung des autofreien Dorfes MĂŒrren. Im Standardbetrieb kann die Bahn 2.5 Tonnen GĂŒter unter einer der beiden Kabinen mit Platz fĂŒr bis zu 85 Personen transportieren. Die GĂŒter werden automatisiert verladen.
In der Station MĂŒrren erwartet die GĂ€ste fĂŒr die Weiterfahrt zur Station Birg eine zweite Premiere: Die erste, ebenfalls Mitte Dezember eröffnete Funifor-Bahn der Schweiz. Dieser Seilbahntyp verfĂŒgt ĂŒber parallel installierte Tragseile aus, deren Abstand ungefĂ€hr der Breite der Seilbahnkabinen entspricht. Diese breite Tragseilspur bietet eine enorm hohe WindstabilitĂ€t und eine zuverlĂ€ssige Beförderung auch bei schwierigen Wetterbedingungen, was fĂŒr die Schilthornbahn bei der Wahl des Typs ausschlaggebend war. Die Kabine bietet Platz fĂŒr bis zu 100 Personen und verkehrt mit 12 Metern pro Sekunde ĂŒberaus schnell.
Total vier Funifor-Bahnen am Schilthorn
Bis FrĂŒhling 2025 fuhr die Funifor-Bahn parallel zur noch bestehenden zweispurigen Pendelbahn, um die Förderleistung im Skibetrieb zu gewĂ€hrleisten. Die Pendelbahn wird durch eine zweite Funifor-Seilbahn ersetz werden, deren Eröffnung im November 2025 geplant ist. Von Birg aus fĂŒhrte bislang eine einspurige Pendelbahn zum Gipfel des Schilthorns mit dem Drehrestaurant Piz Gloria. Sie wird durch eine weitere Funifor-Seilbahn ersetzt, deren erste Spur im MĂ€rz 2025 ihren Betrieb aufnahm. Die zweite folgt bis FrĂŒhling 2026. Die parallel gefĂŒhrten Funifor-Bahnen sind mechanisch getrennt, können also unabhĂ€ngig voneinander betrieben und gewartet werden, was die VerfĂŒgbarkeit insgesamt erhöht. Sie werden aber elektrisch verbunden sein. Im Normalbetrieb bilden sie so eine virtuelle Pendelbahn.

Insgesamt wird die KapazitĂ€t mit diesem Schilthornbahn 20XX genannten Projekt, in dem auch die Stationen umfassend erneuert, erweitert oder teils neu gebaut wurden, deutlich erhöht. Rund doppelt so viele GĂ€ste pro Stunde können weit schneller bergwĂ€rts fahren. Eine grosse Herausforderung bestand darin, dieses Projekt passend zur bestehenden lokalen Energieversorgungs-Infrastruktur zu planen und umzusetzen, ohne dass eine zusĂ€tzliche, sehr kostspielige Versorgungsleitung von 20 Kilometern LĂ€nge von Wilderswil nach MĂŒrren gezogen werden muss. Die Ausschreibung fĂŒr dieses Generationenprojekt hatte die zur Doppelmayr-Gruppe zĂ€hlende Garaventa AG im Jahr 2019 fĂŒr sich entschieden

Orientierung an Projekten mit ABB-Speicher
Es galt also den Betrieb der â im Endausbau â fĂŒnf neuen Seilbahnen in den drei Sektionen so zu gestalten, dass die Spitzenlast die bestehende Energieversorgungsinfrastruktur nicht ĂŒberlastet. «Da hilft es zum einen, möglichst effiziente Antriebe einzusetzen. Zum anderen machten wir uns Gedanken, wie Lastspitzen lokal gepuffert werden könnten», erklĂ€rt Raphael Reinle, verantwortlicher Projektleiter seitens Garaventa, «beides mit Lösungen von ABB, von deren ZuverlĂ€ssigkeit wir aus Erfahrung ĂŒberzeugt sind.»
«Wir wollten zum einen, möglichst effiziente Antriebe einzusetzen. Zum anderen machten wir uns Gedanken, wie Lastspitzen lokal gepuffert werden könnten. Beides mit Lösungen von ABB, von deren ZuverlĂ€ssigkeit wir aus Erfahrung ĂŒberzeugt sind.»
Ein Fall fĂŒr Frey Stans, ebenfalls Teil der Doppelmayr Gruppe und fĂŒr die Steuerungstechnik der Bahnen zustĂ€ndig. «2019 hatten wir bei der Sanierung der Magglingenbahn in Zusammenarbeit mit ABB erstmals einen Energiespeicher realisiert, um die rekuperierte Bremsenergie lokal zu speichern. Dieses Konzept entwickelten wir mit ABB fĂŒr die Standseilbahn Sierre â Montana weiter. Mit unserem Energiemanagement-System kann die Bahn damit einen Teil des eigenen Energiebedarfs decken â insbesondere, wenn Lastspitzen auftreten, die ansonsten grosse Kosten verursachen, falls das Versorgungsnetz sie ĂŒberhaupt abdecken kann», erklĂ€rt Roger Steffen, Leitender Ingenieur Energiespeicher und -systeme Frey Stans.
«Dieses Konzept entwickelten wir mit ABB fĂŒr die Standseilbahn Sierre â Montana weiter. Mit unserem Energiemanagement-System kann die Bahn damit einen Teil des eigenen Energiebedarfs decken.»
Workshop bei ABB im Jahr 2020
Das Energiemanagement fĂŒr den Verbund aller fĂŒnf neuen Anlagen ist einiges komplexer. DafĂŒr fand im Sommer 2020 ein Workshop am ABB-Standort Baden mit allen Beteiligten statt.  «Wir installieren fĂŒr die fĂŒnf Seilbahnen aller drei Sektionen je einen Energiespeicher von ABB, mit einer KapazitĂ€t von jeweils 60 bis 100 Kilowattstunden», erklĂ€rt Steffen. «In der bereits in Betrieb stehenden steilen, zweispurigen Pendelbahn zwischen Stechelberg und MĂŒrren nimmt er die rekuperierte Bremsenergie der Bahn auf.» Die wird generiert, wenn die talwĂ€rts fahrende Kabine ab einem bestimmten Punkt so viel Hangabtriebskraft ausĂŒbt, dass das Gesamtsystem â die beiden Kabinen sind ĂŒber das Zugseil via Seilscheibe fest verbunden â gebremst werden muss. Ab diesem Punkt arbeitet der Elektromotor als Generator, wandelt die kinetische Energie in elektrische Energie um, wodurch die Bahn abgebremst wird.

«Wo dieser Punkt liegt, hĂ€ngt stark von der Beladung der beiden Kabinen ab», so Steffen. «Am Vormittag wollen viele Passagiere rauf und kaum welche runter. Da muss die Bahn weniger stark gebremst werden. Anders am Nachmittag, wenn die Passagiere wieder mehrheitlich talwĂ€rts fahren.» Im Tagesverlauf können so 20 bis 25 Prozent der aufgewendeten elektrischen Energie rekuperiert, gespeichert und fĂŒr den eigenen Betrieb eingesetzt werden. Die gespeicherte Energie wird primĂ€r verwendet, um Bezugsspitzen aus dem Netz zu vermeiden. Diese systemseitigen Lastspitzen fallen etwa an, wenn eine schwer beladene Kabine aus der Talstation heraus beschleunigt.
Notantriebskonzept mit Energiespeicher gespeist
FĂŒr die Pendelbahn Stechelberg â MĂŒrren hat Garaventa einen ABB-Elektromotor des Typs M3BP mit einer Leistung von 900 Kilowatt installiert. Er wird von einem ABB-Frequenzumrichter des Typs ACS880 Multidrive angetrieben. ZusĂ€tzlich sind zweimal zwei HDP-Motoren von fĂŒr einen allfĂ€lligen Not- und RĂ€umungsantrieb installiert, falls der Hauptantrieb ausfĂ€llt. «Die Energie, um die Kabinen in diesem Fall in die Stationen bringen, wĂŒrde aus dem Energiespeicher kommen», erklĂ€rt Aleksandar Velimirovic, zustĂ€ndiger Projektleiter seitens ABB. Ăblicherweise mĂŒssen die Betreiber fĂŒr einen Notantrieb bei jeder Bahn Dieselgeneratoren installieren und bereithalten â mehrere, um die Redundanz zu gewĂ€hrleisten. Dank dem Energiespeicher und dem dadurch möglichen Inselbetrieb mussten bei der Schilthornbahn fĂŒr die insgesamt fĂŒnf Seilbahnen lediglich noch je ein Dieselgenerator in der Station MĂŒrren sowie Birg installiert werden.

FĂŒr die erste ebenfalls Mitte Dezember in Betrieb genommene Funifor-Seilbahn MĂŒrren â Birg hat ABB einen Motor des Typs AMI 450 mit einer Leistung von einem Megawatt geliefert, angetrieben vom ACS880 Multidrive. FĂŒr die zweite Spur dieser Funifor-Seilbahn, deren Eröffnung im November 2025 geplant ist, liefert ABB den gleichen Motortyp. FĂŒr die relativ kurzen beiden Funifor-Seilbahnen von Birg zum Gipfel werden â wie bei der Pendelbahn â M3BP-Motoren in der Station Birg installiert, angetrieben von einem ACS880 Multidrive. Wie bei der Pendelbahn werden bei allen Funifor-Bahnen HDP-Motoren von ABB fĂŒr den Notantrieb installiert.
Ziel im Zeitplan erreicht
Christoph Egger, Direktor der Schilthorn Bahn sagte im Februar 2025: «Wir werden bei den Stromabrechnungen im laufenden Jahr sehen, wie viel wir mit dieser lokal gespeicherten und wiederverwendeten Energie im Alltagsbetrieb ĂŒber die Zeit einsparen. In jedem Fall verkehren die beiden Mitte Dezember in Betrieb genommenen Bahnen mit den ABB-Antriebs- und Speicherlösungen zu unserer vollen Zufriedenheit.» Und das Ziel, dieses Generationenprojekt der Erneuerung und Erweiterung aller Bahnen bis zum Piz Gloria umzusetzen, ohne das lokale Energieversorgungsnetz ausbauen zu mĂŒssen, haben die Projektpartner erreicht â ohne Verzögerungen im langjĂ€hrigen Zeitplan.
