Infrastruktur | 9. August 2021

Innovative Testautomatisierung für Notstromversorgung

Pilotprojekt in Rechenzentrum der Swisscom

Netzersatzanlagen müssen regelmässig auf ihre Funktionstüchtigkeit getestet werden. Nach einem Co-Creation-Workshop mit Swisscom hat ABB eine Testautomatisierung entwickelt, welche das führende Schweizer Telekommunikations-Unternehmen nun in einem St. Galler Rechenzentrum im Pilotbetrieb einsetzt.

Alle zwei Monate fahren zwei Fachleute des Dienstleisters ISS zum Swisscom-Rechenzentrum in St. Gallen, um die Notstromversorgung zu testen. Sie starten den Dieselgenerator, kontrollieren den Raum nach Brennstoff- oder Wasser-Leckagen und prüfen, ob die Ventilatoren rotieren und die Luftklappen offen sind.

Zahlreiche Parameter manuell erfassen

Bislang haben sie auch zahlreiche Werte kontrolliert, in eine Liste eingetragen und später in Excel erfasst. «Darunter sind einige Temperaturmessungen, etwa Raum- und Abgastemperatur, oder wie stark das Kühlwasser erwärmt wird. Aber auch die Leistung des Generators oder den Öldruck lesen wir ab», erklärt Philipp Ruckstuhl, Objektmanager und Anlagenverantwortlicher bei ISS Facility Services Schweiz und ausgebildeter Elektriker.

Die im Swisscom-Rechenzentrum in St. Gallen installierte Netzersatzanlage von ABB.

Ein ziemlicher Aufwand für eine Routinearbeit, zumal aus Sicherheitsgründen jeweils zwei Servicetechniker von ISS in der Anlage sein müssen. Und da die Swisscom an rund 70 Standorten in der Schweiz Notstromaggregate installiert hat, summieren sich die Kosten für die manuellen Überprüfungen durch Experten.

Idee in Co-Creation-Workshop gemeinsam entwickelt

«Vor drei Jahren nahm ich an einem Co-Creation-Workshop mit ABB in deren Forschungszentrum in Baden-Dättwil teil», erinnert sich Emanuel Gebert, für die Netzersatzanlagen zuständiger Ingenieur bei Swisscom. «Im freien Gedankenaustausch entstand damals die Idee, diese Testläufe und das Aufzeichnen der Daten möglichst zu automatisieren – mit dem Ziel, die Datenqualität zu verbessern, den Aufwand deutlich zu verringern und den Test auch von einem lokalen Facility Manager ohne ausgewiesene Elektrikerkenntnisse vornehmen lassen zu können.»

Die Idee sei einige Zeit brachgelegen. Doch inzwischen haben Fachleute des Geschäftsbereichs Electrification von ABB Schweiz diese Testautomatisierung realisiert, auf Basis der Betriebsdaten-Managementsoftware Zenon.

Sensoren lösen manuelle Aufzeichnung ab

Swisscom setzt sie nun als Pilotprojekt in ihrem Rechenzentrum in der Stadt St. Gallen ein. Dafür wurde die Anlage mit Sensoren ausgestattet, welche die zuvor manuell abgelesenen Parameter aufzeichnen.

«Vorderhand kommen wir für den zweimonatlichen Testbetrieb noch selbst ins Rechenzentrum. Es ist ja ein Pilotprojekt, bei dem wir noch in der Lern- und Ausbauphase sind», so Ruckstuhl. Über das Touchpanel vor Ort loggt er sich über einen Code in das System ein und gibt die Lastvorgabe für den Test ein, ehe er ihn startet.

Bedeutend geringerer Aufwand

«Die automatische Datenaufzeichnung klappt gut; kein Vergleich zum Aufwand, den wir zuvor manuell betrieben haben. Sie ist auch genauer und liefert kontinuierlich Werte über die ganze Stunde des Testlaufs hinweg, was eine vertiefte Analyse erlaubt.» Die Ergebnisse der visuellen Kontrolle im Generatorraum erfasst er über das Touchpanel.

Philipp Ruckstuhl überprüft die Parameter vor Ort am Touchpanel.

Sukzessive auf weitere Anlagen ausrollen

«Wir sind mit diesem Pilotprojekt auf einem guten Weg», zieht Emanuel Gebert ein positives Zwischenfazit. «Wenn wir letzte Details dieser Testautomation an unsere Bedürfnisse angepasst haben, werden wir sie auf weitere Netzersatzanlagen ausrollen.» Das werde sukzessive erfolgen, im Rahmen der jeweiligen Erneuerung der Steuerung der Notstromanlagen, die üblicherweise nach rund 20 Betriebsjahren ausgetauscht werden.