Industrie | 7. Dezember 2021

Sprühtrocknung smart überwacht

Smart Sensors für die Produktion von Frucht- und Gemüsepulvern

In Burgdorf stellt die zur Givaudan-Gruppe gehörende Naturex mit raffinierten Sprühtrocknungsverfahren rund 300 verschiedene Frucht- und Gemüsepulver her. Zur Überwachung der rund um die Uhr laufenden Produktion setzt das Unternehmen nun auf Smart Sensors von ABB.

Herbst ist Apfelzeit. Auch bei Naturex in Burgdorf. Bis zu 60 Tonnen Äpfel verarbeitet das Unternehmen hier im Emmental pro Tag. Frisch angeliefert, werden sie zuerst zu Apfelmus zerhackt, das dann im über 70 Meter hohen Trocknungsturm oben eingesprüht wird. Von unten bläst ihm trockene Luft mit einer Temperatur von rund 45 ° Celsius entgegen, mehrere Zehntausend Kubikmeter pro Stunde. Beim langsamen Absinken der Apfelmasse wird ihr Feuchtigkeit entzogen, bis es in Pulverform in der Auffangvorrichtung des Turms landet. Es trocknet in Silos weiter, bis das Wasser fast komplett verdunstet ist.

Der grosse Trockungsturm von Naturex ist in Burgdorf unübersehbar und wird nachts beleuchtet.

Dieser Prozess bei vergleichsweise tiefer Temperatur wird «Kaltsprühtrocknung im Gegenstromverfahren» genannt. In zwei weiteren, niedrigeren Trocknungstürmen am Standort kommen wärmere Luftströme zum Einsatz. Insgesamt produziert Naturex in diesem Werk rund 300 verschiedene qualitativ hochwertige Frucht- und Gemüsepulver für die Nahrungsmittelindustrie – meist aus püriert angelieferten Rohmaterialien, je nach Kundenwunsch auch in Bio- oder Babyfoodqualität. Sie sind Teil der Rezepturen beispielsweise von Frühstücksflocken, Getreideriegeln, Babynahrung oder Getränkepulvern.

Im Werk stehen rund 100 Elektromotoren im Einsatz, nicht wenige von ABB. «Manche Motoren sind absolut prozesskritisch», erklärt Raphael Berger, technischer Leiter des Standorts. «Wir arbeiten hier im Vierschicht-Betrieb, sieben Tage die Woche. Sollte etwa der Motor für die Ventilation des grossen Trocknungsturms ausfallen, hätten wir ein gewichtiges Problem, das unsere Produktion lahmlegt und so hohe Kosten nach sich zieht, geschätzte zweitausend Franken pro Ausfallstunde.»

Früher liess er die wichtigsten Motoren durch einen externen Dienstleister quartalsweise mit Vibrationsmessungen überprüfen. «Das ging ziemlich ins Geld – und bot ja nur eine Momentaufnahme. In den drei Monaten dazwischen kann einiges passieren», so Berger.

Ein Kontaktmann bei ABB machte ihn auf die Smart Sensors des Unternehmens aufmerksam, die nebst Vibrationen weitere Parameter in Echtzeit messen. Die verantwortliche Produktmanagerin, Adriana Grüschow, präsentierte Raphael Berger Mitte des Jahres 2020, was die smarten Überwachungssensoren für Motoren und Pumpen leisten können – und wie einfach deren Installation ist.

Einer der leistungsstarken Motoren im grossen Trockungsturm von Naturex, der mit einem Smart Sensor überwacht wird.

«Inzwischen haben wir 18 Smart Sensors gekauft und an den wichtigsten Motoren, aber auch Stehlagern montiert.» Die Installation sei tatsächlich überaus einfach. Die Parameter wie etwa Vibrationen oder Temperatur erfassen die Sensoren zuverlässig und melden, wenn Warn- oder gar Alarmwerte überschritten werden.

«Es braucht eine gewisse Erfahrung, diese Werte richtig zu interpretieren – oder genauere Spezifikationen der Motorenhersteller», so Berger. «Ist die Vibration, die mir gemeldet wird, nur in einer temporären Unwucht begründet? Hält dieser Motor 60° Celsius aus?» Aber insgesamt sei die Online-Überwachung durch die Sensoren ein wertvolles Werkzeug der Betriebssicherung.

Ventillatoren und Lüftungen und sind das primäre Einsatzgebeit der smart überwachten Motoren bei Naturex.

Bei einem Motor konnten die Smart Sensors bereits Schlimmeres verhindern – ausgerechnet bei einem neuen. «Bei diesem Motor mit Frequenzumrichter konnten wir durch den Sensor auf Anhieb erkennen, dass ein nicht isoliertes Lager eingebaut war, welches innert kürzester Zeit beschädigt worden wäre. Dies auf unserer am meisten ausgelasteten Anlage, bei einem Motor mit sehr langer Lieferzeit.»

Künftig wird Raphael Berger wohl noch weitere Smart Sensors von ABB installieren. «Ich sehe etwa bei der Hälfte unserer Motoren einen Mehrwert, wenn wir sie durch die Sensoren stetig überwachen, um die Verfügbarkeit unserer Anlagen so gut wie möglich abzusichern.»