| 22. Oktober 2015

Eiserne Schwerarbeiter

Im Zürcher Oberland setzt die Präzisionsgiesserei Wolfensberger auf Automatisierung mit ABB-Robotern.

Im Zürcher Oberland setzt die Giesserei Wolfensberger auf Automatisierung. Die mit ihrem keramischen Präzisionsguss erfolgreiche mittelständische Firma hat drei ABB-Roboter in Betrieb; weitere werden folgen.

In Winterthur können aufmerksame Passanten noch einige Schachtdeckel mit der Prägung «Wolfensberger» entdecken. Derlei Massengüter stellt der 1924 gegründete Familienbetrieb längst nicht mehr her. Während andere grosse Schweizer Giessereien – wie jene von Sulzer oder Rieter – in Resignation vor der günstiger produzierenden internationalen Konkurrenz die Öfen erkalten liessen und sich auf andere Geschäftsfelder konzentrierten, evaluierte Wolfensberger lukrative Nischen und entwickelte das nötige Knowhow, um diese zu bedienen.

So ist die Firma mit Produktionsstandort Bauma nahezu konkurrenzlos, wenn grössere Mengen an Qualitätsteilen gefragt sind, die im keramischen Präzisionsgussverfahren hergestellt werden. Mit dem «Exacast» genannten Verfahren kann Wolfensberger komplexe Gussteile mit dünnen Partien, präzisen Abmessungen sowie extrem glatten Oberflächen fertigen, die im Vergleich zu alternativen Giessmethoden nur einen Bruchteil des Nachbearbeitungsaufwandes erfordern – Feingussqualität, aber für Fertigungsstücke mit einer Masse von bis zu 400 kg. Das hat auch ABB Turbo Systems überzeugt: Der Weltmarktführer bei Turboladern für grosse Diesel- und Gasmotoren bezieht seit über 30 Jahren Düsenringe von Wolfensberger; rund 35 verschiedene Typen mit einem Durchmesser von 180 bis 1000 Millimeter, jährlich etwa 7000 Stück. Auch Kontraktoren für den Bau von Nutzfahrzeugen zählen zu den grossen Kunden von Wolfensberger.

Boomjahre bis 2009

«In den Jahren bis 2009 boomte der Markt, befeuert vom enormen globalen Bedarf an neuen Schiffen und Fahrzeugen», erläutert Kevin Schmidhauser, Leiter Beschaffung und Marketing sowie Urenkel des Firmengründers. «Wir bauten die Produktion stetig aus, ohne gross Zeit für eine Weiterentwicklung der Fertigungsmethoden zu haben. Das Tagesgeschäft ging vor.»

Automatisierung repetitiver Arbeiten

Dann setzte die Finanzkrise ein – mit ihren einschneidenden Auswirkungen auf die Weltwirtschaft. So ging 2009 das Volumen der globalen Transporte um 12 % zurück. Schiffe und Nutzfahrzeuge bestellte kaum noch jemand. «Bei Wolfensberger begannen wir, die Produktionsprozesse zu überdenken, um Kosten sowie Durchlaufzeiten zu senken und damit konkurrenzfähig zu bleiben», so Schmidhauser. Lean Management hielt Einzug. «Und strategisch beschlossen wir, uns weg von der manuell aufwändigen Einzelfertigung hin zur Serienproduktion zu entwickeln.»

Seit Mitte 2014 wirken zwei ABB-Roboter quasi Hand in Hand in der Formherstellung für den keramischen Präzisionsguss mit. Dabei legt der erste IRB 6640 die im Turmregal gelagerten Dauermodelle aus Silikon auf einen Arbeitstisch. Der zweite IRB 6640 platziert eine Stützform aus Schamotte auf das Dauermodell, um die Zwischenräume mit einem keramischen Schlicker – also einem Ethanol-Mineral-Gemisch – auszugiessen. Nun nimmt der erste Roboter diese Formen wieder und legt sie nacheinander in das dafür gebaute Turmregal, wo der Schlicker rund 20 Minuten lang aushärtet. Formen mit ausgehärteter Keramik legt der erste Roboter erneut auf den Arbeitstisch, entformt diese und übergibt die ausgehärtete Formhälfte seinem Roboterkollegen, welcher diese auf ein Abflammkarussell zum Brennen legt.

«Das ist der erste Schritt zur Automatisierung repetitiver Arbeitsabläufe in der Keramikguss-Fertigungslinie», erklärt Peter Streit, Teamleiter Projekte Technische Dienste. «Weitere werden folgen, etwa der Zusammenbau der Giessform aus den Formhälften durch Roboter.» Insgesamt soll dann die Produktion der Rohgussteile noch zwei Stunden dauern – statt mehrerer Tage wie zuvor vorwiegend in Handarbeit.

Prozessgenauigkeit gesteigert

Für die Programmierung der Roboter sind Integrationspartner besorgt, in diesem Fall die Elwitec GmbH in Wetzikon sowie die Robofact AG in Gossau. Nach einer Schulung durch ABB können Mitarbeitende von Wolfensberger selbst Anpassungen an den Programmen vornehmen.

Auch im wenige hundert Meter entfernten zweiten Werk von Wolfensberger in Bauma ist ein ABB-Roboter im Einsatz. In diesen 2003 in Betrieb genommenen Hallen werden Gussteile weiterbearbeitet. Seit Januar 2015 ist hier ein IRB 4600 für das Sandstrahlen von Retarderteilen – also Komponenten für LKW-Bremsen – zuständig. Mit Keramik-Mikrokugeln als Strahlmittel wird dabei die Oberfläche des Werkstücks verdichtet – ein Prozess, der zuvor manuell ausgeführt wurde.

«In diesem Arbeitsschritt steht noch weniger der Zeitgewinn durch die Automation im Vordergrund als vielmehr die Prozessgenauigkeit», erläutert Daniel Jaeggi, Lean Manager bei Wolfensberger. «Mithilfe des Roboters können die zu bearbeitenden Teile der Düsenringe lückenlos mit dem gleichen Druck unter demselben Winkel bestrahlt werden.» Mit dem Einsatz von Robotern wird also die Prozessbeherrschung verbessert.

Wie bei allen neu einzurichtenden Fertigungsschritten gibt es im Gesamtsystem noch Optimierungspotenzial, etwa die Reduktion des Strahlmittelverlusts. Aber der ABB-Roboter erledige seine Arbeit einwandfrei, so Daniel Jaeggi: «Es hat sich bestätigt, dass ABB-Roboter im Vergleich zu Konkurrenzprodukten eine gute Programmierbarkeit aufweisen, was vieles vereinfacht. Zudem sind bis anhin auch keine Ausfälle zu verzeichnen, welche auf technische Mängel zurückzuführen wären.»

Wie in der Präzisionsgiesserei bildet auch in der Weiterbearbeitung der Sandstrahlroboter erst den Auftakt für weitere Automatisierungsetappen. «Ich rechne damit, dass in mittlerer Zukunft zehn bis zwölf Roboter bei uns in die Giesserei- und Bearbeitungsprozesse eingebunden sein werden», gibt Kevin Schmidhauser einen Ausblick. Die Wolfensberger AG liefert rund die Hälfte ihrer Produkte direkt in den Euro-Raum; indirekt als Zulieferer für in der Schweiz gefertigte und exportierte Systeme noch bedeutend mehr. Der starke Franken nagt an der Marge, entsprechend wichtig sind gerade heute Produktivitätssteigerungen in der Fertigung.

«Natürlich macht uns der schwache Euro im Vergleich zum Franken zu schaffen. Andererseits haben unsere Kunden in Deutschland damit beispielsweise im Dollarraum Vorteile und können neue Marktsegmente erschliessen. Ich denke, die schnelle Verfügbarkeit der zugelieferten Teile in der benötigten Menge wird für sie an Bedeutung gewinnen. So setzen wir bei uns weitere Automatisierungslösungen um, damit wir hier schneller mehr in höchster Qualität produzieren können», hält Kevin Schmidhauser abschliessend fest.

«Das ist der erste Schritt zur Automatisierung repetitiver Arbeitsabläufe in der Keramikguss Fertigungslinie.»

Wolfensberger AG

bietet das Leistungsspektrum Präzisionsguss und Sandguss für rund 100 Stahl- und Eisengusswerkstoffe sowie Zerspanung an. In ihren beiden Werken in Bauma im Zürcher Oberland sind rund 210 Mitarbeitende beschäftigt. Derzeit treibt die innovative Familienaktiengesellschaft die Entwicklung eines Form- und Giessprozesses für die Herstellung dünnwandiger Stahlgussteile im Sandgussverfahren voran.

Weitere Infos: www.wolfensberger.ch