| 28. Februar 2015

Rückgrat der digitalen Welt

Ständige Verfügbarkeit von Rechenzentren ist die Basis der globalen Vernetzung

Rechenzentren sind das Rückgrat der digitalen und mobilen Kommunikation. Beim Rechnen, Speichern und Vernetzen konsumieren sie gewaltige Mengen Energie. Die aktuelle Herausforderung besteht darin, hohe Energieeffizienz bei gleichzeitig extrem hoher Zuverlässigkeit zu erreichen. Die Erfahrungen aus der Energie- und Automatisierungstechnik versetzen ABB in die Lage, auch für kritische Anwendungen in der IT-Branche die passenden Lösungen bereitstellen zu können.

Das Internet, seine Suchmaschinen oder mobile Anwendungen auf Smartphones sind mittlerweile allgegenwärtig und für unsere Gesellschaft praktisch unverzichtbar. Alle diese Technologien, genauso aber auch alle Unternehmen, benötigen eine leistungsfähige Infrastruktur im Hintergrund, die rechnet, speichert und vernetzt. Genau dies leisten hochspezialisierte Rechenzentren, die damit nicht nur das Rückgrat des Internet-Booms, sondern auch das Herzstück bei der Ausführung missionskritischer Unternehmensanwendungen bilden. Hochleistungsrechenzentren sind in Kombination mit schnellen Netzen unverzichtbar, wenn es darum geht, Industrie 4.0 und das Internet der Dinge voranzubringen.

Gewaltiges Wachstum

Rechenleistung und Datenfluss wachsen weltweit seit vielen Jahren mit Steigerungsraten von ungefähr 50 % pro Jahr. Im Vergleich zu diesem rasanten Wachstum weisen die Zahlen für den Stromverbrauch eine spannende Abweichung auf: Nach gleichmässigen Steigerungsraten von ungefähr 12 % jährlich bis 2008 zeigt sich seither ein Rückgang des Verbrauchs – pro kWh elektrischer Energie wird eine immer höhere Rechenleistung erreicht. Entsprechend den wachsenden Anforderungen ist auf dem Markt für Rechenzentren ein rasantes Wachstum zu beobachten. Die Steigerungsraten für das Jahr 2013 reichen beispielsweise von ungefähr 25 % für die USA bis zu 60 % für die Türkei. Vom weltweiten Gesamtmarkt für Rechenzentren entfallen zehn Prozent auf Deutschland. Passend dazu ist Frankfurt gemessen am Datendurchfluss der grösste Internet-Knotenpunkt der Welt, wobei – gemessen an der Grösse – kaum ein Land eine so grosse Rechenzentrenfläche aufweist wie die Schweiz. Nach aktuellen Schätzungen werden bis zu 2 % der weltweit erzeugten Energie von Rechenzentren verbraucht – mehr als der Jahresverbrauch von Nationen wie Italien oder Spanien.

Petersplatz 2005 (oben) und 2013: Smartphones sind heute auch in der Heiligen Stadt allgegenwärtig.

Globaler Standortwettbewerb

Verbesserte IT-Infrastrukturen und sinkende Preise für Netzanbindungen haben dazu geführt, dass es keine geografischen Einschränkungen mehr bei der Errichtung von Rechenzentren gibt. Bei diesem globalen Wettbewerb fallen verschiedene Standortfaktoren ins Gewicht: Von grösster Bedeutung ist eine sichere und wirtschaftliche Stromversorgung, da Rechenzentren eine unternehmenskritische Funktion ausüben und der Betrieb sehr stromintensiv ist. Für viele Unternehmen gewinnt auch die Herkunft des konsumierten Stroms an Bedeutung. Darüber hinaus spielen Kriterien wie die politische, ökonomische und gesellschaftliche Stabilität eines Landes eine Rolle. Schliesslich bedeutet die Errichtung eines Rechenzentrums ein langfristiges Engagement vor Ort – am besten unter verlässlichen Rahmenbedingungen.

Angesichts der genannten Faktoren verwundert es nicht, dass Deutschland und die Schweiz zu den beliebtesten Standorten für Rechenzentren in Europa gehören. Nach Grossbritannien weist Deutschland die zweitgrösste Rechenzentrums-Bruttofläche auf, während die Schweiz hinter Irland über die zweithöchste Dichte an Rechenzentren, bezogen auf die Einwohnerzahl, verfügt. Neben ihrer geografisch zentralen Lage und ihren leistungsfähigen IT-Infrastrukturen profitieren beide Länder von ihren restriktiven Datenschutzbestimmungen, die im Zeitalter staatlicher Spionageprogramme eine neue Wertschätzung erfahren.

Ein Ende des Rechenzentrum-Booms ist nicht in Sicht. Experten gehen davon aus, dass mehr als vier Fünftel aller Unternehmen ihre Rechenkapazitäten nach wie vor inhouse angesiedelt haben. Da jedoch die Anforderungen an die Verfügbarkeit und Ausfallsicherheit von IT-Systemen immer höher werden, wird eine Auslagerung für viele Firmen künftig zur wirtschaftlich sinnvolleren Lösung. Entsprechend erwartet das Beratungsunternehmen Broadgroup beispielsweise für die Schweiz im Zeitraum zwischen 2011 und 2016 einen Zuwachs der Rechenzentrumsfläche um 63 %.

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Deutschland und die Schweiz profitieren von ihren restriktiven Datenschutzbestimmungen, die im Zeitalter staatlicher Spionageprogramme eine neue Wertschätzung erfahren

Elektrizität geht als Wärme verloren

Rechenzentren bestehen aus drei wesentlichen Strukturelementen: IT, Stromversorgung und Kühlung. Diese drei Elemente der Infrastruktur müssen perfekt aufeinander abgestimmt sein. In der IT werden vielfältige Softwareprogramme, Virtualisierungen, Datenbanken, Hosting-Dienste, Betriebssysteme und Clouds ausgeführt. Stromversorgung und Kühlung sind für den Betrieb der IT-Ausrüstung erforderlich. Der Netzstrom wird über komplexe Topologien aus Transformatoren, Schaltanlagen, Notstromaggregaten, unterbrechungsfreien Stromversorgungen (USV), Stromschienen und automatischen Netzumschaltern an die Server in den IT-Racks verteilt. Die dort ablaufenden Rechenprozesse erzeugen viel Wärme. In einem typischen Rechenzentrum entfallen etwa 60 % der verbrauchten Energie auf die Stromversorgung und etwa 40 % auf die Kühlung. Nahezu die gesamte eingesetzte Elektrizität geht als Wärme verloren. Diese muss abgeführt werden, um sicherzustellen, dass die Betriebstemperaturen innerhalb der Toleranzen bleiben. Rechenzentren nutzen daher hochentwickelte Kühlsysteme wie Flüssigkeitskühlung, Luftkühlung, Tauchkühlung, Warm- und Kaltgangeinhausung sowie Klima- und Lüftungsanlagen für EDV-Räume.

Verfügbarkeit ist oberstes Gebot

Grundsätzlich kann jedes System ausfallen – diese Tatsache sollte jedem bewusst sein, der sich mit technischen Ausrüstungen befasst. Das oberste Ziel von Betreibern von Rechenzentren ist es, Ausfälle zu vermeiden, um die volle Verfügbarkeit sicherzustellen. Ein einstündiger Ausfall schlägt mit durchschnittlich 275 000 Euro zu Buche; auch Millionenverluste sind schnell möglich. Wegen der hohen Kosten ist die Verfügbarkeit der wichtigste Parameter für Auslegung, Betrieb und Wartung von Rechenzentren. Eine hohe Verfügbarkeit wird vor allem durch Redundanz im Aufbau, in der Ausrüstung von IT und Elektrotechnik, bei den elektrischen Versorgungswegen und bei der Software erreicht.

Neben der Möglichkeit, ein grosses Rechenzentrum an einem Ort mit hoher Sicherheit permanent verfügbar zu machen, wird immer mehr in Richtung virtueller Rechenzentren geforscht. Diese setzen sich aus mehreren kleineren Einheiten zusammen, die – ähnlich den virtuellen Kraftwerken in der Energieversorgung – Rechenleistung gemeinsam bereitstellen und so ein grosses, virtuelles Rechenzentrum schaffen. «Durch das virtuelle Zusammenspiel mehrerer dezentraler Einheiten lassen sich Verfügbarkeit und Steuerungsmöglichkeiten weiter erhöhen», sagt Andreas Ganz, Head of DataCenter Business Central Europe bei ABB (siehe Interview).

Mit Gleichstrom erreicht die Green Datacenter AG in einem Pilotprojekt eine um 10 % verbesserte Energieeffizienz und hat einen um 25 % geringeren Platzbedarf bei der Stromversorgung.

Effizienz durch Gleichstrom

Zu einem wichtigen Werkzeug zur Senkung des Energieverbrauchs von Rechenzentren kann die Gleichstromversorgung werden. Zu seinen bedeutsamen Vorteilen zählen geringere Verluste, da Umwandlungsschritte innerhalb der Versorgungskette wegfallen. So können die Energieverluste zwischen Netzeinspeisung und Servern um rund 10 % gesenkt werden. Bei einem Pilotprojekt von ABB mit der Green Datacenter AG in Lupfig kam neben der verbesserten Energieeffizienz als weiterer Vorteil ein um etwa 25 % geringerer Platzbedarf für die elektrischen Komponenten der Stromversorgung zum Tragen. Da weniger Komponenten zum Einsatz kommen, erhöht sich die Zuverlässigkeit. Aufgrund der einfacheren Architektur und der reduzierten Ausstattung sinken darüber hinaus die Kosten für Installation, Betrieb und Wartung.

Rechenzentren eignen sich besonders für eine Versorgung mit Gleichstrom, da sie eine Vielzahl identischer oder zumindest ähnlicher Verbraucher, zum Beispiel Server, Netzwerkkomponenten und Speicher, enthalten; dies reduziert die Zahl der erforderlichen Spannungsniveaus. Allerdings ist die Gleichstromtechnologie keine allgemeingültige Patentlösung, um in Rechenzentren Energie einzusparen. Es gibt auch Anwendungen, für die Wechselstrom besser geeignet ist. Um die individuell effizienteste Energieversorgung zu finden, bedarf es einer ganzheitlichen Betrachtung und einer durchgängigen Planung von Rechenzentren – von der Netzeinspeisung bis zum Server.

 

Rechenzentren bestehen aus drei Strukturelementen: IT, Stromversorgung und Kühlung.

Im Notfall Dieselgeneratoren

Bei der Realisierung des Ziels einer 100-prozentigen Verfügbarkeit spielen zuverlässige Notstromsysteme eine wesentliche Rolle. Denn äussere Bedrohungen für das Stromnetz – beispielsweise Stürme und Gewitter – lassen sich nicht kontrollieren. Zudem kämpfen Energieversorger häufig mit alternden, unberechenbaren Stromnetzen. Die meisten Rechenzentren nutzen Notstrom-Dieselgeneratoren. Wichtig sind dabei ein leistungsfähiges Steuerungssystem, eine hohe Qualität der Systemkomponenten und eine professionelle Installation. Das Herzstück des ABB-Notstromkonzepts bildet die speicherprogrammierbare Steuerung (SPS). ABB nutzt ausschliesslich hochwertige Dieselmotoren, die strenge Umwelt- und Bauauflagen erfüllen.

Parallelarchitektur

Netzstörungen treten nicht nur in der Form des kompletten Stromausfalls –  Blackout –, sondern häufig auch als vorübergehende Spannungsschwankungen – Brownouts oder Überspannungen  – auf. Eine USV konditioniert den ankommenden Strom und beseitigt Spitzen, Schwankungen und Rauschen. Bei einem kurzfristigen, vollständigen Stromausfall liefern Batterien oder andere Energiespeichersysteme den notwendigen Strom. Das USV-System Conceptpower DPA von ABB gewährleistet die Verfügbarkeit durch eine dezentrale Parallelarchitektur. Jedes USV-Modul beinhaltet die komplette, für den Betrieb des Systems erforderliche Hard- und Software. USV-Systeme von ABB haben wegen ihrer Skalierbarkeit, ihrer Modularität und ihrer hohen Energieeffizienz sehr niedrige Gesamtbetriebskosten.

Ein Zehnkämpfer am Steuer

Immer stärker an Bedeutung gewinnt das Infrastruktur-Management von Rechenzentren (Data Center Infrastructure Management, DCIM). Das System Decathlon von ABB gibt den Betreibern die nötigen Werkzeuge zur Steuerung und Optimierung eines flexiblen Netzwerks aus IT, Stromversorgung und Kühlung an die Hand. Zudem stellt Decathlon beispielsweise verschiedene Standorte, Nutzungszwecke, Austauschintervalle der IT-Ausrüstung, aber auch Effizienzwerte wie SAP-Operationen pro eingesetztem MW Strom oder E-Mails pro Euro zur Verfügung.

«Durch das virtuelle Zusammenspiel mehrerer dezentraler Einheiten lassen sich Verfügbarkeit und Steuerungsmöglichkeiten weiter erhöhen.»

Kompetenz für Zuverlässigkeit

Der Betrieb von leistungsfähigen Rechenzentren ist von essenzieller Bedeutung für unser mobiles Leben und den wirtschaftlichen Erfolg von Industrie und Produktion. ABB bietet Systeme mit inhärenter Zuverlässigkeit, robustem Design und hoher Energieeffizienz. Neben der Qualität der einzelnen Produkte besteht die besondere Kompetenz von ABB darin, ganze Systeme zu entwickeln und zu implementieren, die sowohl die Stromversorgung als auch die automatisierte Überwachung und Steuerung abdecken.

Weitere Infos: www.abb.com/datacenter

Effizient trotz höchster Leistungsanforderungen

Herr Professor Lindenstruth, inwiefern sind Rechenzentren heute eine kritische Infrastruktur der digitalen Welt?

In Zeiten von Big Data, Cloud-Diensten und wachsender Vernetzung werden entsprechend mehr IT-Ressourcen benötigt, die Kapazitäten in Rechenzentren beanspruchen. Rechenzentren sind somit eine zentrale und kritische Infrastruktur.

 

Wie gestaltet sich die aktuelle Entwicklung bei Energieversorgung und -effizienz von Rechenzentren?

Deutschland ist durch die hohen Energiesteuern im IT-Sektor benachteiligt. Es droht die Abwanderung von Unternehmen dieses äusserst wirtschaftskritischen Industriesektors. Das Höchstleistungsrechenzentrum Green-Cube, eine Entwicklung der Goethe-Universität und des Frankfurt Institute for Advanced Studies, ermöglicht bereits eine besonders hohe Energieeffizienz am Standort Deutschland mit einem PUE-Wert (power usage effectiveness) unter 1,1 – und dies bei sehr geringen Investitionen, die deutlich unter den Ausgaben für vergleichbare Systeme liegen.

 

Wie schätzen Sie das Entwicklungspotenzial der Strukturelemente IT, Stromversorgung und Kühlung ein?

In Bezug auf einen PUE-Wert unter 1,1 im Jahresmittel ist das Entwicklungspotenzial bei der Energieeffizienz auf Verbesserungen von maximal 10 % begrenzt. Diese Effizienzwerte werden durch den Einsatz von indirekter, freier Kühlung und mithilfe von Wasser- und Rücktürwärmetauschern erreicht. So lassen sich PUE-Werte von 1,05 erzielen. Batteriesysteme und Backupgeneratoren können wir durch redundante Stromversorgungen von verschiedenen Kraftwerken vermeiden.