Infrastruktur | 6. Juli 2020

Smarte Motorenüberwachung vor dem Kauf testen

«Try & Buy Package» für 25 Sensoren

Eine Anwendung vor dem Kauf testen – das gibt es nun auch im indus­triellen Umfeld: Das Basler Energieversorgungsunternehmen IWB hat im Rahmen eines «Try & Buy»-Programms 25 Smart Sensors von ABB ­in­stalliert – was wertvolle Einblicke in Zustands- und Betriebsparameter der Motoren bringt.

Unverbindlich und kostenlos ein Produkt zu testen, das kennt man als Privatperson beispielsweise aus dem Softwarebereich: Sich 30 Tage mit einem Programm beschäftigen und dann entscheiden, ob die Vorteile einen davon überzeugen, es zu kaufen.

Aber in der Industrie? Doch: Für den ABB Ability Smart Sensor gibt es ein «Try & Buy Package». Kunden können bis zu 25 Sensoren und die von ihnen erhobenen Daten während sechs Monaten kostenlos nutzen und sich danach entscheiden, ob sie sie gegen eine jährliche Gebühr weiterverwenden oder sie zurückgeben wollen.

Die denkbar einfache Montage der Smart Sensors macht das möglich: Sie werden direkt am Motor befestigt – wobei sie sich auch bei Pumpen und Stehlagern einsetzen lassen. Verkabelung ist keine nötig. Die Daten werden über ein ABB-Gateway oder ein Smartphone in die Cloud hochgeladen und dort analysiert.

IWB nutzt dieses Package und hat 25 Smart Sensors testhalber im Einsatz. Die Sensoren überwachen Elektromotoren in der Kehrichtverwertungsanlage (KVA) von IWB. Was hat das Unternehmen zum Test bewogen?

Vorausschauende Wartung

«Wir verfolgen seit einiger Zeit die Entwicklung zum Thema Industrie 4.0 und prüfen, welche Anwendungsmöglichkeiten in Energieproduktionsanlagen infrage kommen», erklärt Roland Danielzik, Leiter Instandhaltung Produktionsanlagen von IWB. «Dabei interessieren uns insbesondere die Möglichkeiten der Datenerfassung zur vorausschauenden Wartung. Generell stehen wir vor der Herausforderung, die technische Verfügbarkeit eines stetig wachsenden Anlagenparks auf hohem Niveau zu halten. Da hilft es, wenn technische Hilfsmittel uns eine bessere Planungsgrundlage bieten und uns bei sich anbahnenden Problemen vorwarnen.»

Ein Smart Sensor misst Parameter wie die Oberflächentemperatur und Vibrationen (in mehreren Dimensionen), sammelt Daten zum Magnetfeld und zu Geräuschen, immer mit einem Zeitstempel versehen. Daraus lassen sich Betriebsparameter wie Anzahl der Starts, Betriebsstunden, Motoreinspeisefrequenz oder Gesamtleistung berechnen – und vor allem Zustandsparameter hinsichtlich der vorausschauenden Wartung: Motorzustand insgesamt, Lagerzustand, Fehlausrichtung und weitere mehr.

«Bislang konnten wir über die Auswertung der Sensordaten vier Probleme bei Motoren eruieren und so rechtzeitig eingreifen.»

Ein Verkaufsingenieur von ABB Schweiz machte IWB auf die smarten Sensoren aufmerksam. Im Rahmen des «Try & Buy»-Pakets installierten die IWB-Betriebsmitarbeiter im vergangenen Jahr selbst 25 Sensoren bei Motoren der Leistungsklassen von 75 kW bis 630 kW in ihrer Kehrichtverwertungsanlage. Die gemessenen Daten werden dort teils über ein Gateway, teils über ein Smartphone in die Cloud transferiert, über eine spezifische Software analysiert und dem Anlagenbetreiber als verwertbare Information für die Wartungsplanung zur Verfügung gestellt.

«Dabei hilft es, dass wir die Anlagen genau kennen und wissen, in welcher Umgebung der Motor jeweils im Einsatz steht», betont Stefan Suter, Betriebselektriker in den IWB-Produktionsanlagen. So lasse sich etwa der Anstieg der Wicklungstemperatur eines Motors, der im Sommer in einem besonders hitzeexponierten Teil der Anlage steht, richtig interpretieren.

Sehr einfach zu montieren

Einmal konfiguriert, seien die Sensoren tatsächlich sehr einfach anzubringen. Das mache es auch gut möglich, sie zwischen Motoren zu transferieren, wenn beispielsweise manche Anlagenteile nur in der winterlichen Heizperiode in Betrieb sind.

«Bislang konnten wir über die Auswertung der Sensordaten vier Probleme bei Motoren eruieren und so rechtzeitig eingreifen», so Suter. Dabei handelte es sich einmal um einen Lagerschaden, einmal um ein Steuerungsproblem durch einen Frequenzumrichter und zweimal um verschmutzte Laufräder.

«Das zeigt, dass die Qualität der erhobenen Daten wirklich gut ist und die präventive Wartung ermöglichen – so, wie wir uns das erhofft haben», meint Suter. Noch zu optimieren sei die Reichweite der automatischen Datenübermittlung zu den Gateways in der Anlage mit ihren massiven Infrastrukturelementen.

In gegenseitigem Einvernehmen wurde die Laufzeit des Testbetriebs verlängert. «So wir uns dann dafür entscheiden, die Smart Sensors in der KVA weiter zu nutzen, sehe ich potenziell rund 100 Motoren bei IWB, die wir so überwachen würden», hält Danielzik abschliessend fest.

Weitere Infos: adriana.grueschow@ch.abb.com