Infrastruktur | 11. November 2019

Autonomer Bohrroboter

Weltpremiere für die Aufzugsinstallation

Die Firma Schindler hat als Pilotprojekt ein automatisiertes, autonom arbeitendes Roboterinstallationssystem für Aufzüge entwickelt. Für diese innovative Weltpremiere setzt das Unternehmen einen Industrieroboter von ABB ein.

Für die Installation eines Aufzugs braucht es Ankerbolzen im Liftschacht, um Führungsschienen und Zugangstüren präzise und sicher fixieren zu können. Und zwar viele – je grösser die Förderhöhe, desto mehr.
«Das Bohren von Löchern in den Beton und das Einbringen der Bolzen sind mühsam, repetitiv, körperlich anspruchsvoll und verlangen gleichzeitig hohe Präzision und volle Konzentration, um sicher und exakt zu arbeiten», erklärt Christian Studer, Head New Technologies bei Schindler. «In einem hohen Gebäude braucht die Installation einer Liftanlage Hunderte Löcher für Ankerbolzen. Die Arbeitsbedingungen hierfür sind anstrengend, laut und staubig.»
Ein automatisiertes, robotergestütztes Installationssystem, das «Robotic Installation System for Elevators», soll hier nun für höhere Qualität sorgen und bessere Arbeitsbedingungen für Liftmonteure schaffen. Für dieses Pilotprojekt arbeitete Schindler initial mit der ETH und mit Programmierexperten von ABB Robotics Schweiz zusammen.

«Die robusten ABB-Industrieroboter arbeiten bekanntermassen auch unter widrigen Umgebungsbedingungen zuverlässig.»

Autonomes Installationssystem

Die primäre Aufgabe des Roboters besteht darin, Löcher zu bohren und Ankerbolzen im Liftschacht zu setzen. Doch hinter dem Roboter steckt viel mehr. Die Entwickler haben ein autonomes Installationssystem geschaffen, das sich selbst über eine automatisierte Winde von Etage zu Etage verschiebt – und damit komplettes Neuland betreten. «Erschwerend kam hierbei hinzu, dass wir den Roboter nicht einfach so programmieren können, dass er millimetergenau immer an denselben Koordinaten bohrt. Er ist immer anders im Aufzugsschacht platziert und muss so fortlaufend seine Bohrkoordinaten dynamisch anpassen», erläutert Studer.
Grundsätzlich sind die Bohrpunkte vorgegeben, doch der Roboter scannt zudem die Schachtwand, um herauszufinden, ob dahinter allenfalls ein Armierungseisen steckt oder die Betonoberfläche uneben ist. Auf der Basis von Algorithmen berechnet das Installationssystem Toleranzgrenzen und bohrt das Loch dann versetzt.
Den geeigneten Roboter dafür auszuwählen, stellte das Projektteam vor weitere Herausforderungen. Letztlich fiel die Wahl auf einen IRB 2600 von ABB. «Mit seiner Reichweite von 1,65 m bei einer Traglast von 20 kg passte er gut zur Aufgabe. Zudem arbeiten die robusten ABB-Industrieroboter bekanntermassen auch unter widrigen Umgebungsbedingungen zuverlässig, was für dieses Einsatzgebiet besonders wichtig ist», sagt Studer.

Der ABB-Roboter bohrt nicht nur wie hier im Bild die Löcher, sondern hämmert auch die Ankerbolzen ein.

Prototyp hat sich bewährt

Ein Industrieroboter in einer Fabrik wird üblicherweise auf einem Fundament fixiert und arbeitet sein Programm bezogen auf diesen Nullpunkt im Raum ab. Für den «Robotic Installation System for Elevators»-Prototypen wurde der IRB 2600 auf einer Plattform befestigt, die sich im Liftschacht über ein temporäres Windensystem in die Höhe zieht und verstemmt.
«Um bei diesem jeweils neuen Nullpunkt im dreidimensionalen Raum den Roboterarm exakt an die Bohrpunkte heranzuführen, mussten wir die Robotersteuerung, die nicht dafür ausgelegt ist, gewissermassen überlisten», so Studer.
Nach dem Bohren – bei dem auch mittels Sensoren kontrolliert wird, ob die Bohrung korrekt durchgeführt wurde – hämmert der Roboter die Ankerbolzen ein; dann wendet er sich dem nächsten Bohrloch zu. Immer wieder. Und völlig autonom.
«Auf der Plattform ist zwar eine Kamera zur optischen Fernüberwachung installiert und sämtliche Daten der Bohrungen werden ohnehin protokolliert. Doch dieses System arbeitet grundsätzlich autonom; es braucht niemanden, der es überwacht und steuert», erklärt Studer. Es kann also in den Liftschacht eingebracht werden und arbeitet selbstständig rund um die Uhr, bis sämtliche Ankerbolzen gesetzt sind.
Der Prototyp hat sich bei der Einrichtung von mehreren neuen Liftanlagen in Europa bewährt. «Der IRB 2600 ist dabei kein einziges Mal ausgefallen, was für seine Robustheit spricht», kommentiert Studer.
Das «Robotic Installation System for Elevators» von Schindler wurde vom Council on Tall Buildings & Urban Habitat bei der Tall+Urban Innovation Conference im April 2019 in Shenzhen mit einem «Award of Excellence» in der Kategorie «Innovation» ausgezeichnet. Schindler plant, diese autonomen Systeme vermehrt einzusetzen, ebenfalls je mit einem IRB 2600 von ABB ausgerüstet.
«Automatisierung ist ein viel diskutiertes Thema in der Baubranche», so Studer. «Liftschächte eignen sich dank ihres geometrisch schlichten Aufbaus für digitales Bauen. Wir können nun mit diesem autonomen System die Digitalisierung direkt auf die Baustelle bringen. Dank neuester Entwicklungen in Sensorik und künstlicher Intelligenz konnten wir diese Weltpremiere realisieren», hält er abschliessend fest.