Energietechnik | 21. Februar 2017

Mit der Schaltanlage durchs Nadelöhr

Millimetergenaues Manöver mit Hochspannungsschaltanlage

Das Energieversorgungsunternehmen BKW hat kürzlich seine Unterstation in Wilderswil erneuert. ABB lieferte dafür die gasisolierte 132-kV-Schaltanlage. Bei der Montage vor Ort war ein millimetergenaues Manöver gefragt.

Ende Mai 2016 am Wengelacherweg in Wilderswil: Vor der Berner Oberländer Alpenkulisse war frühmorgens alles für die Ankunft der beiden Lkws mit der gasisolierten Schaltanlage von ABB vorbereitet. Ein Gleitschirmflieger drehte über der Unterstation seine Runden und schaute interessiert auf die Arbeiten herab. Die Zeit verging, doch auch nach Stunden war keine Schaltanlage in Sicht: Die Lkws standen im Stau vor dem Zoll in Basel. Das tat der guten Stimmung auf der Baustelle keinen Abbruch. Es gab natürlich einen Ersatzplan. Doch auf den musste das Projektteam nicht zurückgreifen. Die Lastwagen fuhren am frühen Nachmittag vor.

Die Unterstation Wilderswil ist ein Knotenpunkt im regionalen Stromnetz. Sie sichert die Versorgung im östlichen Berner Oberland. Die Station verteilt die elektrische Energie, die über das Hochspannungsnetz aus Pumpspeicherkraftwerken in den Alpen kommt, über 50-kV- und 16-kV-Leitungen in die lokalen Netze.

Die 132-kV-Freiluftschaltanlage der Unterstation stammte noch aus den 1960er-Jahren. Sie näherte sich damit dem Ende ihrer Lebensdauer. Die BKW entschied, sie durch eine gasisolierte Schaltanlage (GIS) zu ersetzen und diese im existierenden Gebäude der Unterstation zu installieren. Diese Lösung spart viel Platz. Die BKW kann so einen grossen Teil der Aussenanlagen zurückbauen. ABB erhielt den Auftrag, die GIS zu liefern.

Anspruchsvolle Rahmenbedingungen

Bei dieser Modernisierung mussten die Beteiligten einige anspruchsvolle Aufgaben bewältigen. Das verdeutlicht Philipp Schärf, Projektleiter Anlagenbau bei der BKW, der die Erneuerung als Gesamtprojektleiter betreute: «Es war sicher kein alltägliches Unterfangen. Nicht zuletzt, weil der Weiterbetrieb der Unterstation während der gesamten Umbauphase ständig gewährleistet bleiben musste.»

Eine besondere Knacknuss waren die knappen Platzverhältnisse im bestehenden Gebäude. Eine kompakte Bauweise unter Wahrung der geforderten Verfügbarkeit war darum eine zentrale Anforderung an die GIS. ABB rüstete die Anlage vom Typ ELK-04, bestehend aus vier Leitungsschalterfeldern, mit einer speziell kompakten, doppelten Sammelschienenlängstrennung aus, die nur eine Feldteilung benötigt.

Es blieb die Herausforderung, die Anlage ins Gebäude zu schaffen. Das Montageteam der BKW-Tochterfirma Arnold musste die 3,5 t schweren Schaltfelder in der Unterstation ohne Kran auf ein rund 1 m hohes Podest bringen, weil die Hebekraft des vorhandenen Krans im Gebäude nicht ausreichte.

Rückwärts in die Unterstation

Das Team löste die Aufgabe mit einem unkonventionellen Manöver: Es hob das Schaltfeld mit einem hydraulischen Kran vom Speditions-Lkw auf ein kleineres Fahrzeug. Der Chauffeur rangierte dieses danach rückwärts millimetergenau in die Unterstation, bis die Ladefläche mit dem Podest eine Ebene bildete. Von dort aus schoben die Monteure das Schaltfeld auf Schwerlastrollen an die vorgesehene Position. Während des Nachmittags und frühen Abends wiederholte sich die Prozedur dreimal für die restlichen Schaltfelder. «Wir haben lange überlegt, wie wir die logistische Herausforderung meistern. Und die Lösung hat bestens funktioniert», resümiert Markus Luder, Projektleiter seitens ABB.

Gutes Teamwork kennzeichnete das ganze Projekt. «Alle Beteiligten hatten immer das Ziel vor Augen», betont Philipp Schärf. «Die ABB-Leute haben die Erfahrung aus früheren gemeinsamen Projekten genutzt und zusammen mit uns sehr genau geplant. Sie haben sich wirklich ins Zeug gelegt.»

Energie für die Tourismusgebiete

Unter anderem wegen der minutiösen Planung konnte die Erneuerung der Unterstation Ende 2016 einige Tage vor dem Zeitplan abgeschlossen werden. Die Vorbereitungen hatten bereits Mitte 2015 begonnen. Im darauffolgenden Frühling war das Gebäude baulich verstärkt  worden, um das Gewicht der neuen Schaltanlage tragen zu können. Nach der Anlieferung der GIS waren im Juni die Hochspannungsprüfung und im Herbst die Inbetriebsetzung erfolgt. Seit Oktober 2016 verrichtet die Anlage ihren Dienst.

«Es war für alle ein anspruchsvolles Projekt – umso schöner, dass es so gut geklappt hat», freut sich Philipp Schärf. «Im Rückblick ist uns bewusst geworden, was man alles erreichen kann, wenn man die Herausforderung annimmt und gut zusammenarbeitet.» Unter anderem dank dieser Kooperation ist nun die Energieversorgung der Region rund um das Tourismusgebiet Interlaken und im Jungfraugebiet für die kommenden Jahrzehnte gesichert.

BKW

Die BKW Gruppe ist ein international tätiges Energie- und Infrastrukturunternehmen mit Sitz in Bern. Sie beschäftigt circa 5000 Mitarbeitende. Dank der vielfältigen Kompetenzen, die sie unter einem Dach vereint, bietet sie ihren Kunden umfassende und massgeschneiderte Dienstleistungen an. Sie plant, baut und betreibt Energieproduktions- und -versorgungsinfrastrukturen für Unternehmen, Private und die öffentliche Hand. Die BKW Gruppe bietet eine breite Palette an Dienstleistungen an – von Bautechnologien über Infrastrukturtechnik bis hin zu digitalen Geschäftsmodellen für erneuerbare Energien sowie klassische MultiutilityInfrastrukturdienstleistungen.

Weitere Infos: www.bkw.ch